sozial-Recht

Bundesarbeitsgericht

Arbeitsverträge von Kirchenbeschäftigten fehlerhaft




Göttin Justitia auf dem Römerberg in Frankfurt am Main
epd-bild/Heike Lyding
Das Bundesarbeitsgericht hat die üblichen Arbeitsverträge der beiden großen Kirchen in Deutschland beanstandet. Sie seien häufig nicht ausreichend konkret. Das Urteil könnte Lohnnachforderungen zur Folge haben.

Kirchliche Arbeitgeber informieren nach einem höchstrichterlichen Urteil ihre Beschäftigten oft fehlerhaft über sogenannte "Verfallsklauseln" - etwa darüber, in welcher Frist die Beschäftigten nachträglich einen höheren Lohn als vereinbart nachfordern können. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 30. Oktober urteilte, müssen die Beschäftigten schriftlich konkret über diese sogenannten Ausschlussfristen aufgeklärt werden.

In einer zu niedrigen Lohngruppe

Es reiche nicht aus, im Arbeitsvertrag lediglich auf die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen Bezug zu nehmen, wenn diese entsprechende Verfallsfristen enthalten. Wie viele der über eine Million Beschäftigten bei den Kirchen und ihren Sozialunternehmen von dem Urteil genau betroffen sind, ist unklar.

Die in Arbeitsverträgen enthaltenen üblichen Ausschlussfristen legen fest, bis wann Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegenseitig Forderungen geltend machen müssen - beispielsweise bei zu wenig oder zu viel gezahltem Lohn. Wird solch eine oft drei- oder sechsmonatige Ausschlussfrist verpasst, verfällt der Anspruch.

Im jetzt entschiedenen Fall arbeitete der heute 68-jährige Kläger von 1996 bis 2016 als Küster und Reinigungskraft in einer katholischen Kirchengemeinde im Rheinland. Erst als Rentner stellte er fest, dass er von 2005 bis 2015 nach einer zu niedrigen Lohngruppe bezahlt wurde. Er verlangte daher eine Nachzahlung von rund 14.300 Euro.

Die Kirchengemeinde wies die Lohnnachschlagsforderung zurück und bezog sich auf den Arbeitsvertrag. Dieser verwies darauf, dass die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) greift. Die KAVO enthalte eine Ausschlussfrist von sechs Monaten, innerhalb derer Forderungen gegen den kirchlichen Arbeitgeber geltend gemacht werden müssen. Der Rentner habe die Frist verpasst.

Ausnahme nur für Tarifverträge

Dem folgte zunächst auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf mit Urteil vom 10. April 2018. Werden in einen Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Arbeitgeber kirchenarbeitsrechtliche Regelungen des sogenannten "Dritten Weges" - hier der KAVO der katholischen Kirche - einbezogen, seien die darin enthaltenen Ausschlussfristen mit erfasst. Ein gesonderter Hinweis auf die Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag sei nicht erforderlich.

Zwar gehe der Kläger zu Recht davon aus, dass ihm eine höhere Vergütung zugestanden hätte. Die Ansprüche seien aber wegen Ablaufs der in der KAVO enthaltenen Ausschlussfrist verfallen.

Das BAG bestätigte nun zwar, dass der Verweis auf die KAVO wirksam sei und daher auch die Ausschlussfrist formal als vereinbart gilt. Aber dem früheren Küster stehe Schadenersatz in Höhe des entgangenen Lohns zu, weil die Gemeinde ihn nicht schriftlich auf diese Frist hingewiesen hat.

Das sogenannte "Nachweisgesetz" schreibe fest, dass Arbeitgeber ihre Beschäftigten über die "wesentlichen Arbeitsbedingungen" ausdrücklich und schriftlich unterrichten müssen. Dazu gehöre etwa der Arbeitsbeginn, aber auch Ausschlussfristen, urteilte das BAG. Eine Ausnahme bestehe für Tarifverträge. Hier reiche es aus, dass im Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag Bezug genommen wird, damit auch tarifliche Ausschlussfristen gelten.

"Die meisten Kirchenbeschäftigten betroffen"

Doch diese Ausnahmeklausel greife hier nicht. Denn die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen würden nicht unter vergleichbaren Bedingungen wie ein Tarifvertrag ausgehandelt.

Im Ergebnis stehe dem Kläger daher Schadenersatz für die fehlerhafte Unterrichtung über die Ausschlussfristen in kirchlichen Arbeitsverträgen zu. Wie hoch dieser ist, soll nun das LAG prüfen.

Thomas Schwendele, Sprecher auf der Mitarbeiterseite der Zentral-KODA, die für die Ausgestaltung der Arbeitsvertragsgestaltung im Dritten Weg der katholischen Kirche zuständig ist, begrüßte die BAG-Entscheidung. "Wir gehen davon aus, dass die meisten der 750.000 Beschäftigten von katholischer Kirche und Caritas von dem BAG-Urteil betroffen sind", sagte Schwendele. Es sei die Regel, dass in den jeweiligen Arbeitsverträgen nicht ausdrücklich eine Ausschlussfrist vereinbart wurde, sondern stattdessen auf die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien und die darin enthaltenen Fristen verwiesen werde.

Als Folge könnten Beschäftigte selbst nach Jahren noch entgangenen Lohn nachfordern. "In der Praxis werden das aber nicht so viele sein", sagte Schwendele. Außerdem könne der Dienstgeber jetzt mit dem BAG-Urteil sofort reagieren, indem er seine Beschäftigten schriftlich über die bestehenden Ausschlussfristen informiert. Schadenersatzansprüche für entgangenen früheren Lohn könnten dann nicht mehr geltend gemacht werden.

Die Diakonie Deutschland erklärte, dass sie die Begründung des BAG-Urteils "gründlich auswerten" werde. Zugleich teilte sie mit, dass in der Praxis die in den kollektiven Arbeitsrechtsregelungen der Diakonie enthaltenen Ausschlussfristen nur eine untergeordnete Rolle spielten. "Wir werden prüfen, ob gegebenenfalls die Arbeitsverträge, die in den diakonischen Unternehmen in der Regel verwendet werden, aufgrund des BAG-Urteils angepasst werden müssen und ob eine entsprechende Empfehlung an die Träger ausgegeben werden sollte", hieß es auf Anfrage.

Az.: 6 AZR 465/18

Az.: 3 Sa 144/17 (LAG Düsseldorf)

Frank Leth