sozial-Politik

Ruhestand

Bertelsmann Stiftung: Grundrente verhindert nicht Altersarmut




Ein alter Mann sammelt Pfandflaschen.
epd-bild/Rainer Oettel
Trotz bisheriger Reformen steigt laut einer aktuellen Studie weiterhin das Risiko der Altersarmut. Auch die geplante Grundrente würde nach Einschätzung der Experten das Problem nicht lösen.

In 20 Jahren könnte laut einer aktuellen Studie jeder fünfte Rentner von Altersarmut betroffen sein. Der Anteil der von Armut bedrohten Senioren könnte von derzeit 16,8 Prozent auf 21,6 Prozent steigen, teilte die Bertelsmann Stiftung in einer am 12. September veröffentlichten Studie mit. Sozialverbände und die Diakonie forderten die rasche Einführung einer Grundrente sowie leichteren Zugang zu Rentenleistungen. Als armutsgefährdet gilt laut Studie, wer ein monatliches Nettoeinkommen unter 905 Euro hat.

Reformvorschlag für Grundrente

Der Anteil der Rentner, die auf staatliche Unterstützung zur Existenzsicherung angewiesen sind (Grundsicherungsquote), könnte der Studie zufolge bis 2039 von aktuell neun Prozent auf knapp zwölf Prozent steigen. Die Grundsicherungsschwelle liegt laut Studie für einen Ein-Personen-Haushalt bei etwa 777 Euro.

"Selbst bei einer positiven Arbeitsmarktentwicklung müssen wir mit einem deutlichen Anstieg der Altersarmut in den kommenden 20 Jahren rechnen", erklärte Studienleiter Christof Schiller von der Bertelsmann Stiftung. Das im Koalitionsvertrag vorgesehene Modell einer Grundrente würde das Armutsrisiko bis 2039 lediglich um 0,4 Prozentpunkte auf 21,2 Prozent reduzieren, erklärten die Autoren der Studie. Auch die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagene bedingungslose Grundrente würde die Quote auf lediglich 18,4 Prozent verringern.

Die Studie plädiert dafür, die von Heil geplante Reform um eine einfache Einkommensprüfung ohne Vermögensprüfung und eine flexiblere Auslegung der anerkannten Versicherungszeiten zu ergänzen. Durch die Einkommensprüfung werde sichergestellt, dass nur einkommensschwache Haushalte die Aufwertung der Rentenanwartschaften bekämen.

Diakonie: Pflege und Erziehung stärker berücksichtigen

Der Sozialverband VdK forderte, die Regierungskoalition müsse endlich ihren Streit über die Grundrente beenden. Rentner, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, benötigten einen Freibetrag von 212 Euro im Monat, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Menschen, die wegen Krankheit nicht mehr arbeiten können, sollten zudem eine reformierte Erwerbsminderungsrente erhalten, die sie ausreichend absichere. Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) mahnte die zügige Einführung der Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung an.

Die Diakonie warnte, dass vormals alleinerziehende und pflegende Frauen, die in der Rente Beitragslücken haben, am stärksten von Altersarmut bedroht seien. Deshalb müssten auch Phasen der Teilzeit wegen Pflege und Erziehung stärker bei der Rentenberechnung gewichtet werden, sagte Maria Loheide vom Vorstand Sozialpolitik dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zudem sei eine Mindestrente nötig, die langjährig Erwerbstätige im Alter versorge, aber auch flexible Anspruchsvoraussetzungen für die Anrechnung von Pflege und Erziehung beinhalte.

Verzicht auf Leistungen aus Scham

Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) forderte niedrigschwelligere Zugänge zu Rentenleistungen. Viele ältere Menschen lebten in verdeckter Armut, sagte die Leiterin des Geschäftsfeldes Berufliche und soziale Integration, Heike Moerland, in Düsseldorf dem epd. Sie machten häufig aus Unkenntnis oder Scham bestehende Ansprüche auf staatliche Leistungen nicht geltend.

Für die Studie "Anstieg der Altersarmut in Deutschland: Wie wirken verschiedene Rentenreformen?" wurde der gesamte zukünftige Einkommensmix im Alter, bestehend aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge berechnet. Die Studie basiert nach Angaben der Bertelsmann Stiftung auf einer Simulation der Alterseinkommen 2015 bis 2050, die durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin durchgeführt wurde. Grundlage für die Simulationsrechnungen seien repräsentative Haushaltsdaten des sozio-ökonomische Panels (SOEP), bei dem etwa 30.000 Bürger in fast 12.000 Haushalten befragt wurden.

Holger Spierig


Mehr zum Thema

Rentner können gewohnten Lebensstandard nicht halten

Der Gang in den Ruhestand ist von gemischten Gefühlen begleitet. Einerseits die Erleichterung: Es ist geschafft. Andererseits die Frage: Kann ich meinen Lebensstandard halten? Ökonomen sagen: Viele Neurentner müssen den Gürtel enger schnallen.

» Hier weiterlesen

Psychische Störungen führen oft zu Erwerbsminderungsrente

Psychische Störungen führen nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums in Deutschland zunehmend zum Bezug von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Im vergangenen Jahr waren bundesweit 71.319 Fälle, in denen erstmals eine Erwerbsminderungsrente gezahlt wurde, auf psychische Störungen zurückzuführen. Das entspricht einem Anteil von 42,9 Prozent. Die Zahlen gehen aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion hervor.

» Hier weiterlesen