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Behinderung

Verbände und GEW: Berufliche Bildung inklusiv weiterentwickeln




Gebärdenunterricht in der Werkstatt des Diakonischen Werkes Minden (Archivbild)
epd-bild/Werner Krüper
Die Bundesregierung will die berufliche Bildung reformieren. Ein Gesetzentwurf liegt dem Bundestag vor. Doch der stößt auf erhebliche Bedenken bei Verbänden und Gewerkschaften. Ihnen fehlt vor allem der Ansatz, eine inklusive Berufsbildung zu schaffen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die Bundesarbeitsgemeinschaften Evangelische und Katholische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA und BAG KJS) sehen den von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf kritisch. Sie fordern, das Berufsbildungsmodernisierungsgesetz (BBiMoG) gründlich zu überarbeiten.

Zwar sehen die Organisationen in der Mindestausbildungsvergütung sowie in den erweiterten Möglichkeiten zu einer Teilzeitausbildung erste Schritte, die Situation junger sozial benachteiligter oder individuell beeinträchtigter Menschen auf dem Ausbildungsmarkt zu verbessern. "Für eine inklusive Berufsbildung sind aber umfassendere Veränderungen notwendig", heißt es in einer Pressemitteilung.

Inklusion in der Bildung ausweiten

"Alle jungen Menschen sollen eine Berufsausbildung beginnen und erfolgreich abschließen können, unabhängig von Benachteiligung, Beeinträchtigung oder Behinderung", sagte Ansgar Klinger, Vorstand der GEW für Berufsbildung. "Das Recht auf Inklusion beschränkt sich nicht allein auf schulische Bildung. Wir setzen uns für eine inklusive Gesellschaft und einen inklusiven Arbeitsmarkt ein." Die Novelle des Berufsbildungsgesetzes müsse jedem Jugendlichen ermöglichen, eine qualifizierte Ausbildung zu bekommen.

Deutschland hat 2009 die UN-Menschenrechtskonvention für den Bereich der Beruflichen Bildung unterzeichnet. Die Reform des Berufsbildungsgesetzes eröffnet die Möglichkeit, die dort verankerten Ziele in die Tat umzusetzen. In der berufsschulischen und betrieblichen Praxis der dualen Berufsausbildung seien bisher nur kleine Schritte unternommen worden, wie die Jugendsozialarbeit aus ihrer Praxis bestätigen kann.

Weit entfernt vom chancengerechten Ausbildungsmarkt

Lisi Maier, Vorsitzende der BAG KJS: "Von einem chancengerechten Ausbildungsmarkt, der allen benachteiligten und beeinträchtigten Jugendlichen eine qualifizierte Ausbildung ermöglicht, sind wir immer noch weit entfernt. Um das zu ändern, brauchen wir ein Recht auf Ausbildung in Form einer Ausbildungsgarantie."

Die Organisationen begründen den Handlungsbedarf auch damit, dass Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung auf dem regulären Ausbildungs- und Arbeitsmarkt weiterhin nur geringe Chancen haben. Auch aus diesem Grund arbeiteten viele Betroffene in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung.

"Die politische Verantwortung für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention liegt beim Gesetzgeber", stellte Christiane Giersen, Vorstand der BAG EJSA klar. Inklusion könne nicht allein dem Engagement kompetenter Lehrkräfte, Ausbilder und Sozialarbeiter überlassen werden. "Inklusion braucht einen rechtlichen Rahmen, der verbindliche Regelungen und eine angemessene Finanzierung sichert."

Ausbildungssystem flexibilisieren

Künftig müssten Jugendliche mit Handicap regelhaft eine betriebliche, außerbetriebliche oder vollzeitschulische Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf absolvieren können. Deshalb lautet die Forderung, dass das Ausbildungssystem so zu flexibilisieren ist, dass eine individuelle Abstimmung auf die Bedürfnisse und Unterstützung der Jugendlichen möglich ist.

Die Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer (Grüne) hat diese Forderungen in einem am 26. Juni publizierten Autorenpapier festgehalten und appelliert an ihre Parlamentskollegen, Korrekturen an der Gesetzesnovelle vorzunehmen. "Auch im Ausbildungsjahr 2018 haben rund 270.000 junge Menschen eine Maßnahme am Übergang Schule-Beruf begonnen, anstatt in einer vollqualifizierenden Ausbildung für den Berufsabschluss zu lernen", sagte die Expertin. Das sei für die Betroffenen stigmatisierend und widerspreche dem Anspruch an ein inklusives Bildungssystem, das allen jungen Menschen die Chance auf gleichberechtigte Teilhabe und persönliche wie berufliche Entwicklung ermögliche.

Ziel der Novellierung des BBiMoG müsse es sein, "allen jungen Menschen, auch wenn sie von Benachteiligung oder Beeinträchtigung und Behinderungen betroffen sind, zu ermöglichen, eine Berufsausbildung zu beginnen, erfolgreich abzuschließen und als Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt teilzuhaben". Dazu regt Walter-Rosenheimer etwa an, eine Ausbildungsgarantie einzuführen, die Jugendberufsagenturen und die Berufsorientierung auszubauen und die Inklusion in den beruflichen Schulen zu fördern.

Dirk Baas