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Pflege

Wenn Heimbewohnern nur ein Taschengeld bleibt




Gottesdienst für Altenheimbewohner in einem Heim des Evangelischen Johannesstifts in Bad Driburg (Archivbild)
epd-bild/Werner Krüper
Pflegebedürftige müssen immer mehr Geld für die Unterbringung im Heim bezahlen. Viele können die Kosten nicht mehr aufbringen. Deshalb werden nun die Forderungen nach einer Begrenzung des Eigenanteils an den Pflegekosten lauter.

Als Karsten Kuhn seine demenzkranke Mutter vor drei Jahren in einem Düsseldorfer Pflegeheim unterbrachte, ahnte er noch nicht, wie teuer das werden würde. Zunächst kostete die Pflege der alten Dame nach Abzug der Zuschüsse durch die Pflegekasse monatlich 2.600 Euro. Doch dann wurde das Heim in ein neu errichtetes Gebäude verlegt. Erst kurz vor dem Umzug bekamen die Bewohner auf einer Versammlung die Rechnung präsentiert: "Der Eigenanteil stieg mit einem Schlag um 1.000 Euro im Monat", sagt Karsten Kuhn.

Mit dieser Preisanhebung hatte keiner gerechnet. "Vielen Bewohnern standen die Tränen in den Augen. Da wohnen viele gut situierte Leute, die nun zum Sozialamt gehen müssen, weil sie die Kosten nicht mehr aufbringen können", berichtet Kuhn. Seine Mutter kann ihren Eigenanteil bislang noch mit Ersparnissen bezahlen. "Aber die gehen bald zur Neige", weiß der Sohn.

Sprunghafter Anstieg der Eigenanteile

Kostensteigerungen von 1.000 Euro seien zwar nicht die Regel, sagt Ulrike Kempchen von der Bundesinteressensvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA) in Bonn. "Seit Ende 2018 beobachten wir aber einen sprunghaften Anstieg der Entgelterhöhungen." In den meisten Fällen handele es sich um eine Steigerung des monatlichen Eigenanteils um 300 bis 400 Euro. Solche Kostenanstiege überforderten viele Menschen, sagt Kempchen.

Grund für diese Preisanhebungen seien vor allem die höheren Tarifabschlüsse für das Pflegepersonal. Der Personalmangel zwinge Heimbetreiber in einigen Regionen auch, übertarifliche Gehälter zu zahlen, erläutert Kempchen. Höhere Personalkosten würden dann an die Pflegebedürftigen weitergegeben. Das Risiko solcher Preisanstiege liegt allein bei den Heimbewohnern. Denn die Pflegekasse gibt lediglich einen je nach Pflegegrad gestaffelten fixen Zuschuss zu den Pflegekosten.

Der Anteil an den Kosten, für den die rund 818.000 Heimbewohner in Deutschland selbst aufkommen müssen, setzt sich aus den Preisen für die Unterkunft, die Verpflegung und Investitionen zusammen. Hinzu kommt der Eigenanteil zu den Pflegekosten, die nicht komplett durch den Zuschuss der Pflegekasse gedeckt werden.

Durchschnittskosten liegen bei 1.830 Euro pro Person

So zahlten Pflegebedürftige nach Angaben des Verbands der Ersatzkassen (vdek) Anfang dieses Jahres im Bundesdurchschnitt 1.830 Euro monatlich für ihre Unterbringung im Heim. Im Mai 2017 hatte der Eigenanteil nach Erhebungen des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV) noch unter 1.700 Euro gelegen.

Die Höhe des Eigenanteils hängt auch vom Bundesland ab, weil die Tariflöhne und Vorgaben für das Pflegepersonal von Land zu Land stark variieren. Am meisten zahlen Heimbewohner laut vdek in Nordrhein-Westfalen mit durchschnittlich 2.252 Euro monatlich. Am niedrigsten ist die monatliche Belastung mit 1.218 Euro in Sachsen-Anhalt.

"Aufgrund der starken Kostensteigerungen seit dem vergangenen Jahr haben viele Heimbewohner nun Angst, dass sie ausziehen müssen", beobachtet Kempchen. Diese Sorge ist zwar unberechtigt. Denn wenn Rente und Vermögen nicht mehr ausreichen, um den Eigenanteil zu bestreiten, können Heimbewohner "Hilfe zur Pflege" durch das Sozialamt beantragen.

Den alten Menschen bleibt dann aber nur noch ein Taschengeld von rund 114 Euro im Monat. Das betrifft nach Angaben des Pflegereports der Barmer Ersatzkasse rund ein Drittel der Heimbewohner. "Das ist entwürdigend für die alten Menschen. Viele haben dann das Gefühl, am Ende ihres Lebens wieder zum Kind zu werden", sagt Brigitte Döcker, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt (AWO).

Weitere Preisanstiege erwartet

Sie rechnet angesichts des Fachkräftemangels mit weiteren Preissteigerungen. "Im Moment ist es für die Heimbewohner gar nicht kalkulierbar, wann die nächste Erhöhung kommt und wie lange ihr Geld noch reicht." Die BIVA unterstützt eine Petition der AWO, die einen gesetzlichen Höchstbeitrag für den Eigenanteil zur stationären Pflege fordert, wie das inzwischen auch weitere Sozialverbände tun.

Im März haben Hamburg, Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein eine Entschließung in den Bundesrat eingebracht, die die Begrenzung des Eigenanteils fordert. Im April sprach sich der SPD-Bundesvorstand für eine Deckelung des Eigenanteils bei der Pflegekasse aus. AWO-Vorstand Döcker: "Eine Reform steht an und wird sicher kommen."

Claudia Rometsch