sozial-Branche

Behinderung

Gastbeitrag

"Mitwirkung der Betroffenen nur auf dem Papier"




SoVD-Präsident Adolf Bauer
epd-bild/SoVD
Der Präsident des Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer, kritisiert die Beteiligung von Behinderten an Prozessen der Gesetzgebung als unzureichend. Das "Partizipationsgebot" der UN-Konvention müsse endlich mit Leben erfüllt werden, fordert Bauer in seinem Gastbeitrag für epd sozial.

Die UN-Behindertenrechtskonvention, die 2009 von Deutschland ratifiziert wurde, soll die Teilhabe behinderter Menschen am öffentlichen Leben gewährleisten. Seit der Ratifikation ist die verbindliche Beteiligung behinderter Menschen an Gesetzen, die sie betreffen, eine verpflichtende rechtliche Vorgabe. Denn das "Partizipationsgebot" ist in der UN-Konvention verankert. Doch wird dieses Gebot auch tatsächlich mit Leben erfüllt? Rückblickend wird deutlich, dass dies bisher nur unzureichend zutrifft.

Verbindliche Partizipationsstandards

Bereits seit vielen Jahren begleiten die Betroffenenverbände der Menschen mit Behinderungen den vielschichtigen Prozess, der die UN-Konvention in Deutschland Realität werden lassen soll. Nun hat der Sozialverband SoVD mit den im Deutschen Behindertenrat vereinten Verbänden ein Forderungspapier erarbeitet, das zeigt, wo Handlungsbedarf besteht und welche Maßnahmen helfen können. Auf dieser Grundlage kann Deutschland bei den Themen Inklusion und Teilhabe größere Schritte vorankommen, als dies bisher der Fall war.

Getreu dem Motto "Nichts ohne uns über uns" darf sich die Mitwirkung der Betroffenen nicht nur auf dem Papier verbessern. Sie muss endlich gelebte Praxis werden. Insbesondere mit Blick auf Gesetzgebungsprozesse. Deshalb ist es erforderlich, verbindliche Partizipationsstandards zu entwickeln. Konkret bedeutet dies, dass die Bundesregierung entsprechende Grundsätze normiert. Zum Beispiel in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien oder in Musterverfahrensordnungen.

Rechtliche Konsequenzen

Ziel muss es insbesondere sein, die Qualität der Partizipation zu verbessern. Dazu gehört eine konsequentere Beteiligung auch an Gesetzgebungsverfahren, die über die hinaus reichen, die federführend im Bundesministerium für Arbeit und Soziales liegen. Dabei sollte der Beteiligungsumfang nicht dem Zufall überlassen bleiben, sondern systematisch auf sämtliche Behinderungsgruppen erweitert werden.

Die im Deutschen Behindertenrat geeinten 140 Organisationen - sie repräsentieren 2,5 Millionen Menschen - könnten dabei eine koordinierende Funktion übernehmen. Zudem gilt es, die Qualität der Beteiligung mit Blick auf die Verordnungsprozesse konstant zu verankern. Um dem Nachdruck zu verleihen, sollte die Verletzung der Beteiligungspflichten rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Mit der Möglichkeit, die Anliegen der behinderten Menschen endlich auf Augenhöhe einzubringen, wäre ein großer Schritt in Richtung Inklusion getan. Um dies sicher zu gewährleisten, müssten vorbereitende Unterlagen rechtzeitig und barrierefrei mit ausreichenden Fristen zur Verfügung gestellt werden. Die bisher geltenden zweiwöchigen Fristen haben sich als unzureichend erwiesen. Damit diese Beteiligung nicht allein formal praktiziert wird, sind transparentere Abläufe und Zuständigkeiten geboten. Diese Pflicht zur Transparenz muss sich insbesondere auf die inhaltlichen Entscheidungsprozesse erstrecken. So wird nachvollziehbar, inwieweit die von den Behindertenverbänden eingebrachten Forderungen und Positionen aufgegriffen und berücksichtigt wurden.

Adolf Bauer ist der Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) und derzeit Sprecher des Behindertenrates.