sozial-Branche

Studie

Lebenssituationen von Wohnungslosen erstmals systematisch analysiert




Wohnungslose in der Heilig-Kreuz-Kirche in Berlin-Kreuzberg
epd-bild / Rolf Zöllner
Erstmals gibt es in Deutschland eine systematische Analyse der Lebensumstände wohnungsloser Menschen. Die Diakonie hat sich an der Studie beteiligt.

Besonders wichtig für wohnungslose Menschen ist einer Studie zufolge eine grundlegende Sicherheit. Dies ergibt sich aus der am 24. Oktober veröffentlichten Erhebung der Evangelische Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe (EBET) und der Alice Salomon Hochschule Berlin. Dafür sei entscheidend, wo die Wohnungslosen übernachten können, wie zufrieden sie damit sind, ob sie zum Arzt gehen können und sich sicher fühlen. "Diese Aspekte sind existenziell und können nicht mit anderen Dingen kompensiert werden", heißt es in der Studie.

Nicht jedem Wohnungslosen geht es schlecht

28 Prozent der Wohnungslosen leben den Angaben zufolge unter schlechten oder sehr schlechten Lebensbedingungen. Etwa die Hälfte dieser Menschen (53 Prozent) befinde sich in einer mittleren Situation. Bei knapp 20 Prozent sehe die Situation gut oder sehr gut aus. Die Einordnung berücksichtigt die materielle Situation, Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Sicherheit und die sozialen Netzwerke der Betroffenen.

Daneben müssten aber auch die individuellen Einschätzungen wohnungsloser Menschen berücksichtigt werden, fordert Susanne Gerull, Studienleiterin und Professorin für Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit. Denn die Studie zeigt auch: Nach der subjektiven Einschätzungen der Betroffenen sehen sich mehr als 40 Prozent in einer schlechten oder sehr schlechten Lebenslage.

In Deutschland gibt es keine amtliche Statistik über Wohnungslosigkeit. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe veröffentlicht lediglich Schätzungen. Demnach waren 2016 rund 860.000 Menschen betroffen. Als wohnungslos gelten Menschen, die keinen vertraglich abgesicherten Wohnraum haben. Nicht alle leben auf der Straße.

Ein Viertel befürchtet Verschlechterungen

Die am meisten gefährdete Gruppe besteht der neuen Studie zufolge aus Menschen, die auf der Straße leben: Knapp zwei Drittel von ihnen befinden sich in unterdurchschnittlich schlechten Lebenslagen. Fast ein Viertel denke, ihre Lebenslage würde sich innerhalb eines Jahres noch verschlechtern. Besonders belastet seien zudem Frauen und Menschen aus anderen EU-Staaten, vor allem Südosteuropa.

Damit sich prekäre Lebenssituationen nicht verfestigen können, sei es vor allem wichtig, wohnungslose Menschen so schnell wie möglich wieder eigenen Wohnraum zu vermitteln. "Wir fordern daher die Politik auf, bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen, für besonders verletzliche Menschen zugänglich zu machen, Notunterkünfte abzuschaffen und durch Vermittlung in menschengerechte Wohnungen zu ersetzen", erklärten der EBET-Vorsitzende Jens Rannenberg und Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland.

Die repräsentativen Analyse stützt sich auf die Befragung 1.135 Betroffener aus ganz Deutschland, die Angebote der diakonischen Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe nutzen.

Nora Frerichmann