sozial-Recht

Bundesarbeitsgericht

Zum kirchlichen Tarifvertrag gehören auch Mitarbeitervertretungen




Shoppen mit dem Weihnachtsgeld
epd-bild/Nicola O`Sullivan
In kirchlichen Betrieben sind Vereinbarungen mit Mitarbeitervertretungen grundsätzlich bindend. Das gilt auch dann, wenn dies nicht ausdrücklich in individuellen Arbeitsverträgen festgehalten ist.

Kommt laut Arbeitsvertrag ein kirchlicher Tarifvertrag zur Anwendung, gehört dazu grundsätzlich auch das kirchenrechtliche Mitarbeitervertretungsrecht. Liegt beim diakonischen Arbeitgeber eine wirtschaftliche Notlage vor, ist somit eine mit der Mitarbeitervertretung (MAV) geschlossene kirchliche Dienstvereinbarung zur Aussetzung der Weihnachtsgeldzahlung für die betroffenen Beschäftigten bindend, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 2. Juli veröffentlichten Urteil. Es ist danach nicht erforderlich, dass im Arbeitsvertrag ausdrücklich auch die Geltung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts festgelegt wird.

Geklagt hatte eine Erzieherin, die seit dem 1. September 1981 in einer diakonischen Einrichtung arbeitet. Seit 10. September 2010 kommt laut Arbeitsvertrag der Tarifvertrag der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (TV EKBO) zur Anwendung. Nach den tariflichen Bestimmungen können Arbeitgeber in einer wirtschaftlichen Notlage gemeinsam mit der MAV bei den Tarifvertragsparteien eine Sonderregelung beantragen, die den Beschäftigten gewährte jährliche Sonderzahlung befristet auszusetzen.

Als die diakonische Einrichtung 2014 in wirtschaftliche Bedrängnis geriet, schloss sie mit der MAV eine Dienstvereinbarung. Danach sollten die Beschäftigten auf das Weihnachtsgeld verzichten. Im Gegenzug wurde auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet. Die wirtschaftliche Notlage hatte eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zuvor bestätigt.

Die Klägerin meinte, dass die Dienstvereinbarung für sie nicht gelte. Denn nach ihrem Arbeitsvertrag sei allein der TV EKBO anzuwenden. Es gebe im Arbeitsvertrag keinen Verweis, dass auch das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht greifen soll. Für kirchliche Dienstvereinbarungen gebe es ohne solch einen Verweis keine "zwingende Geltung".

Eine Vereinbarung mit den tarifschließenden Gewerkschaften, die Jahreszahlung auszusetzen, sei nicht getroffen worden. Stattdessen liege nur eine Dienstvereinbarung von MAV und Betrieb vor. Sie verlangte daher die Jahressonderzahlung in Höhe von 70 Prozent ihrer monatlichen Vergütung, insgesamt 2.709 Euro brutto. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab ihr im Wesentlichen recht.

Das BAG hob dieses Urteil jedoch auf. Die Erzieherin habe keinen Anspruch auf die Jahressonderzahlung für das Jahr 2014. In ihrem Arbeitsvertrag wurde darauf verwiesen, dass der kirchliche Tarifvertrag EKBO anzuwenden ist. Werde arbeitsvertraglich auf die Geltung kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen oder eines kirchlichen Tarifvertrags verwiesen, beinhalte dies auch die Vereinbarung der Geltung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts, so das BAG. Die von dem Arbeitgeber und der MAV geschlossene Dienstvereinbarung ist damit bindend.

Die Erfurter Richter begründeten dies im konkreten Fall damit, dass der Tarifvertrag EKBO die Beteiligung der Mitarbeitervertretung voraussetzt. Dies werde bei mehreren darin enthaltenen tariflichen Arbeitszeit-Regelungen deutlich, die MAV und Arbeitgeber gemeinsam verändern können.

Letztlich liege im Arbeitsvertrag eine sogenannte "Kettenverweisung" vor. Da im Arbeitsvertrag auf die Geltung des TV EKBO verwiesen wird, dieser wiederum auf die kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechte verweise, seien auch Letztere für die Erzieherin bindend.

Doch selbst wenn man solch eine "Kettenverweisung" nicht annehmen würde, könne es kein anderes Ergebnis geben, urteilte das BAG. In diesem Fall wäre der Arbeitsvertrag "lückenhaft", so dass dieser hätte ergänzend ausgelegt werden müssen. Entscheidend sei dann, was die Vertragsparteien nach "Treu und Glauben" vereinbart hätten. In einem kirchlichen Arbeitsverhältnis wäre das die Geltung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts gewesen.

Az.: 6 AZR 835/16

Frank Leth