Ausgabe 17/2018 - 27.04.2018
Hamm, Bochum (epd). Der Fahrer eines Linienbusses ist nach einem Gerichtsurteil nicht automatisch für den Sturz eines schwerbehinderten Fahrgastes haftbar zu machen. Das Oberlandesgericht Hamm entschied in zwei am 20. April bekanntgegeben Beschlüssen, die Klage einer gehbehinderten Frau abzulehnen. Das OLG bestätigte damit ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Bochum.
Die schwerbehinderte Frau hatte sich durch einem Sturz im Bus einen Oberschenkelbruch zugezogen, weil der Fahrer losgefahren war, bevor sie ihren Sitzplatz eingenommen hatte.
Wegen des Unfalls hatte die zum Zeitpunkt des Sturzes 60 Jahre alte Frau ein Schmerzensgeld von 11.500 Euro und die Übernahme der Kosten für eine Haushaltsführung in Höhe von rund 4.000 Euro gefordert. Ihre Klage richtete sich gegen das Verkehrsunternehmen und der Busfahrer. Die Frau ist wegen eines Hüftschadens zu 100 Prozent schwerbehindert, eine Gehhilfe benutzt sie nicht.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts trägt die Frau eine Mitschuld an dem Unfall. Denn sie habe keinen freien Sitzplatz im Einstiegsbereich besetzt und sich beim Anfahren nicht genügend festgehalten. Auch habe sie den Busfahrer nicht darum gebeten, mit dem Anfahren abzuwarten, bis sie Platz genommen habe, befanden die Richter.
Dem Fahrer sei kein Verschulden vorzuwerfen, erklärte das Gericht. Von ihm sei nicht zu verlangen, dass er zugestiegene Fahrgäste besonders im Blick behalte. Eine solche Verpflichtung gebe es nur, wenn für den Fahrer eine schwerwiegende Behinderung des Fahrgastes erkennbar sei, die eine besondere Rücksichtnahme erfordere.
Ein solcher Ausnahmefall habe für den beklagten Busfahrer in dem konkreten Fall nicht vorgelegen, hieß es. Die Klägerin habe den Bus ohne erkennbare Probleme und ohne fremde Hilfe bestiegen. Auch habe sie keinen der nahe gelegenen, freien Sitzplätze eingenommen. Allein aus der Vorlage des Schwerbehindertenausweises habe der Busfahrer nicht schließen müssen, dass die Klägerin ohne eine besondere Rücksichtnahme gefährdet sei.
Az.: 11 U 57/17