Ausgabe 41/2017 - 13.10.2017
Dortmund (epd). Bruno Rziha wohnt allein in einer Vier-Zimmer-Altbauwohnung in der Dortmunder Innenstadt. "Viel zu groß für mich!" meint der 80-Jährige. Er will seine Wohnung verkaufen und gemeinsam mit anderen Senioren neu bauen. "Statt Immobilienhaien das Geld zu geben, investiere ich lieber in meine Zukunft - in ein altersgerechtes Wohnprojekt, das mir später Gemeinschaft bietet."
Damit liegt er im Trend, denn immer mehr ältere Menschen suchen nach alternativen Lebensmodellen für das Rentenalter. Aufgrund der steigenden Nachfrage wird in den Kommunen zwar barrierefreier Wohnraum für Seniorinnen und Senioren geschaffen, doch die meisten Angebote bieten keine Teilhabe. Daher haben sich einige Dortmunder unter dem Motto "Gemeinschaftlich bauen und eigenständig leben" zusammengetan, um selbst Bauherr zu werden.
Für ihr Vorhaben schlossen sie sich in dem "Verein gemeinsam - nicht einsam" zusammen. Er dient der Gründung einer Genossenschaft, die später die Baukosten des gemeinschaftlichen Wohnhauses trägt. Die Genossenschaftsanteile finanzieren die Vereinsmitglieder durch den Verkauf ihres Wohneigentums.
Das Konzept "Einer für alle - alle für einen" hat den 72-jährigen Peter Thanscheidt motiviert, sich in dem Verein zu engagieren. In seinem langjährigen Berufsleben als Bauleiter hat er genug Erfahrungen gesammelt, um die Projektplanung mit viel Sachverstand zu begleiten. Er sieht die genossenschaftliche Idee nicht nur ideell, sondern auch pragmatisch: "Ältere Menschen müssen sich rechtzeitig um barrierefreien Wohnraum kümmern. Doch bekommt man im Alter nicht ohne weiteres einen Bankkredit, um die eigene Wohnung umzubauen. Durch den Verkauf unserer Wohnungen und Häuser können wir das Kapital in unser eigenes Bauvorhaben investieren. Das macht uns von Kreditgebern unabhängig."
Im Gegensatz zu anderen Projekten können alle Mitstreiter von Anfang an ihre Ideen in die Planung einbringen und mitentscheiden, welches Grundstück erworben wird. Initiator Rziha hat seine Ideen zu Papier gebracht. Die Architektur spiegelt die Grundidee wieder, die Privatsphäre des Einzelnen zu respektieren und gleichzeitig Räume der Begegnung zu schaffen.
In der Mitte des Gebäudes soll ein überdachtes Atrium entstehen, auf das die Wohnungen zulaufen. Hier kann man sich wie auf einem Marktplatz spontan treffen. "Unser Ziel ist, Alterseinsamkeit zu verhindern und uns zu ermöglichen, von Anfang bis zum Ende am selben Ort zu bleiben. Für viele ist die Vorstellung schlimm, noch einmal die gewohnte Umgebung verlassen zu müssen, um in ein Pflegeheim zu ziehen. Unser Konzept verhindert das", sagt Rziha. Herzstück des Projektes ist, dass man sich umeinander kümmert. "Wer noch fit ist, kann einem Nachbarn etwas vom Einkauf mitbringen oder ihm vorlesen. Daher können wir weit mehr bieten, als das zeitlich knapp bemessene Standardprogramm eines Pflegedienstes."
Die Vereinsmitglieder kommen aus unterschiedlichen Berufen und bringen ihre Kenntnisse in das Projekt ein: "Eine Bankkauffrau gestaltet den Finanzierungsplan, ein Ingenieur kümmert sich um das Energiekonzept und eine Imkerin möchte ihre Bienenstöcke mitbringen. Den Honig kann sie dann im Haus vertreiben. Wir profitieren also alle voneinander: Win-win", lächelt Rziha.
Gemeinschaftsorientierte Wohnprojekte werden von der Stadt Dortmund gefördert. Das Team "anders wohnen - anders leben" unterstützt mit einem Beratungsangebot die Umsetzung. Thomas Böhm, Leiter des Amtes für Wohnen und Stadterneuerung, begründet das Engagement der Stadt: "Alternative Wohnformen gewinnen angesichts der aktuellen demografischen und ökonomischen Herausforderungen zunehmend an Bedeutung. So können gemeinschaftliche Wohnprojekte oder Baugemeinschaften zu einer ausgewogenen Stadtentwicklung sowie zur Stabilisierung von Wohnquartieren beitragen."
Bruno Rziha und seine Mitstreiter sind Pioniere auf dem Gebiet des genossenschaftlichen Wohnungsbaus von und für Senioren. Sie sind optimistisch und hoffen auf jede Menge Nachahmer. "Wir glauben, dass unser Konzept ein Boom werden wird."