Ausgabe 18/2017 - 05.05.2017
Essen (epd). Fliehen Hartz-IV-Empfängerinnen vor häuslicher Gewalt in ein Frauenhaus, müssen sie nicht zwingend eine örtliche Einrichtung aufsuchen. Finden sie auswärts Zuflucht und werden dort zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt psychosozial betreut, muss die Wohnortkommune die Kosten hierfür grundsätzlich erstatten, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem am 25. April veröffentlichten Urteil. Die Essener Richter sicherten damit auch die Finanzierung der Frauenhäuser.
Im nun entschiedenen Rechtsstreit ging es um eine Arbeitslosengeld-II-Bezieherin, die Anfang 2011 zusammen mit ihren drei Kindern vor ihrem gewalttätigen Partner in ein Frauenhaus außerhalb ihres Wohnortes floh. Insgesamt verbrachten Frau und Kinder 114 Tage in der Einrichtung. Dort wurden sie auch psychosozial betreut.
Das Frauenhaus bot ihr niedrigschwellige Angebote wie eine Krisenintervention, Gespräche zur Verarbeitung von Gewalterfahrungen, aber auch Unterstützung bei der Wohnungssuche und bei Behördengängen. Ziel der Hilfen ist die Integration in den Arbeitsmarkt.
Das Jobcenter hatte dem Frauenhaus die Kosten entsprechend einer festgelegten Vereinbarung bezahlt. Von der Wohnortkommune der Frau verlangte die Behörde die Kostenerstattung für die psychosoziale Betreuung. Insgesamt ging es um einen Betrag von 2.846 Euro.
Die Kommune lehnte die Zahlung ab. Man würde so die allgemeinen Personalkosten des Frauenhauses unzulässig mitfinanzieren, hieß es zur Begründung. Außerdem sei es auch nicht möglich, die Höhe der Betreuungskosten mitzubeeinflussen. Denn das Frauenhaus befinde sich in einer anderen Kommune und nicht am Wohnort der Frau.
Das LSG verpflichtete die Kommune jetzt zur Kostenerstattung. Die vom Frauenhaus verlangte Pauschale für die psychosoziale Betreuung sei verhältnismäßig und nicht zu hoch. Es sei nicht ersichtlich, dass auf diese Weise die Kommune die allgemeinen Personalkosten mitfinanziere.
Dem Gericht zufolge handele es sich hier um eine "kommunale Eingliederungsleistung" zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Diese umfassen laut Gesetz nicht nur Schuldner- und Suchtberatungen oder die häusliche Pflege von Angehörigen, sondern auch psychosoziale Betreuungen. Zu Letzteren gehörten ebenfalls niedrigschwellige Angebote, die vom Frauenhaus erbracht wurden. Nach den gesetzlichen Bestimmungen seien die Kommunen dafür verantwortlich, selbst wenn das Jobcenter das Geld vorstrecke.
Die Essener Richter betonten, dass es Frauen möglich sein müsse, auch in Frauenhäusern außerhalb ihres Wohnortes Schutz suchen zu können. Dass eine Kommune auf die dortigen Betreuungssätze keinen Einfluss hat, sei unerheblich. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließen die Essener Richter die Revision zum Bundessozialgericht in Kassel zu.
Az.: L 6 AS 1315/15