Ausgabe 39/2016 - 30.09.2016
Paderborn (epd). Das Duzen eines Kollegen, vermeintliches Auslachen oder das Aufstellen von ironischen Aufklebern im Büro sind noch keine Gründe für eine Abmahnung. Denn eine Abmahnung muss verhältnismäßig sein, und der betroffene Arbeitnehmer muss auch zuvor angehört werden, stellte das Arbeitsgericht Paderborn in einem vor kurzem veröffentlichten Urteil vom 9. Juni klar.
Damit bekam eine 61-jährige Sachbearbeiterin recht, die in einer Einrichtung der katholischen Kirche arbeitete. 2015 erhielt sie insgesamt vier Abmahnungen, unter anderem, weil sie eine Kollegin wiederholt geduzt und sie als "Schätzchen" und "krank" bezeichnet hat.
Dann wurde gerügt, dass sie einen Aktenordner mit vollem Schwung auf den Schreibtisch ihrer Kollegin beförderte und sie anschließend "lauthals ausgelacht" habe. Auch auf einem Pappschild geklebte Aufkleber mit Lebensweisheiten wie "Die Suche nach Sündenböcken ist von allen Jagdarten die einfachste und bequemste" wurden als beleidigend und provozierend gerügt.
Das Arbeitsgericht verpflichtete den Arbeitgeber, sämtliche Abmahnungen aus der Personalakte zu entfernen. Die Abmahnungen wegen des "Duzens" eines Kollegen seien "offensichtlich unverhältnismäßig". Außerdem habe der Arbeitgeber seine Pflicht verletzt, die Beschäftigte zuvor anzuhören.
Zudem sei weder der Vorfall mit dem Aktenordner noch das vermeintliche Auslachen als schwerwiegendes Fehlverhalten oder als Arbeitsvertragsverstoß anzusehen. Gleiches gelte für das Aufstellen von Aufklebern mit Lebensweisheiten. Solche Sprüche könnten eher zum "Schmunzeln" und damit "zu einer aufgeheiterten Stimmung" im Betrieb anregen, meinten die Arbeitsrichter.
Az.: 2 Ca 457/15