sozial-Branche

Ehrenamt

Über 1.500 Geflüchtete arbeiten im Bundesfreiwilligendienst




Die Syrerin Hamida Simo (2. von rechts) betreut als Bufdi Flüchtlinge.
epd-bild/Maike Böschemeyer
Flüchtlinge im sozialen Einsatz für andere Flüchtlinge: Das ermöglicht seit Dezember auch der Bundesfreiwilligendienst. Hamida Simo aus Syrien ist eine dieser Bufdis.

Hamida Simo weiß, was Flucht und Fremdsein bedeuten: Die 45-Jährige aus dem Norden Syriens kam im Jahr 2000 mit ihrer Familie als Flüchtling nach Deutschland. "Da hilft es am besten, wenn man Ansprechpartner hat", sagt die Kurdin. Heute hilft Hamida Simo selbst Flüchtlingen - als "Bufdi" im Bundesfreiwilligendienst (BFD). Fast 5.000 Menschen arbeiten inzwischen wie Simo im bundesweiten Sonderprogramm "BFD mit Flüchtlingsbezug". Knapp jeder Dritte von ihnen ist selbst Asylbewerber oder bereits als asylberechtigt anerkannt.

An Selbstsicherheit gewonnen

Weil Simo Kurdisch und Arabisch spricht, ist sie für viele Flüchtlinge im Bonner Stadtteil Bad Godesberg eine Anlaufstelle für alle möglichen Fragen. Schon bei einem kurzen Gang durch das Wohnheim, in dem sie mit Ehrenamtlichen eine Kleiderausgabe organisiert, kommt die zweifache Mutter kaum vom Fleck, weil viele Bewohner mit ihr reden wollen. Oft begleitet Simo Menschen zu Behörden oder Ärzten, um zu übersetzen. Das würde die Familienbildungsstätte "Haus der Familie" der evangelischen Thomas-Kirchengemeinde Bad Godesberg ohne die Hilfe der Freiwilligen nicht schaffen.

"Ohne Hamida Simo könnten wir in der Flüchtlingsarbeit viel weniger persönliche Hilfe im Einzelfall leisten", sagt die Leiterin der Einrichtung, Regina Uhrig. Simo bietet ein Kontaktcafé an und begleitet einen Kochkurs. Flüchtlinge kommen auf sie zu, bitten sie um Hilfe oder wollen sich einfach mit ihr unterhalten. Seit dem Beginn ihres Bufdi-Einsatzes im März habe die Syrerin bereits an Selbstsicherheit gewonnen, lobt Uhrig die persönliche Entwicklung ihrer Bufdi und richtet den Blick auch in deren berufliche Zukunft: "Hamida hat so viele Fähigkeiten, aber ohne einen Berufsabschluss und Zeugnisse hat man es schwer."

Der Bundesfreiwilligendienst könne aber bei der Berufsorientierung und einer möglichst schnellen Integration helfen, betont Jürgen Thor, Leiter des Zentrums Freiwilligendienste bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. "Ich bin sicher, dass trotz mancher Kritikpunkte im Einzelnen der BFD für deutlich mehr Flüchtlinge eine sinnvolle Perspektive bieten würde - wenn diese Möglichkeit besser bekannt wäre." Es müsse noch mehr die Werbetrommel für das BFD-Sonderprogramm gerührt werden.

Bürokratische Hürden

Auch Simo wusste lange Zeit nichts von dem Programm. Die kontaktfreudige Frau war im "Haus der Familie" jedoch bereits als Nachbarin bekannt und hatte das Kontaktcafé ehrenamtlich mit aufgebaut, so dass es nicht schwer fiel, sie zum BFD-Einsatz zu ermutigen. Dass sie problemlos eingestellt werden konnte, lag allerdings auch an dem Glücksfall, dass die 45-Jährige inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Unter den bislang 4.935 Bufdis im Sonderprogramm zur Flüchtlingshilfe sind auch 1.560 Geflüchtete, für die eine Zulassung häufig komplizierter war.

Denn es gebe bürokratische Hürden, kritisiert Diakonie-Experte Thor: "Wir erleben leider immer wieder, dass die Aufnahme von Flüchtlingen in dieses Sonderprogramm an Fragen des Aufenthaltsrechts und der Beschäftigungserlaubnis scheitert." Die Diakonie RWL habe bisher lediglich 20 ihrer rund 200 Stellen im BFD-Sonderprogramm mit Flüchtlingen besetzen können. "Das Verfahren und die Regeln sollten vereinfacht werden", fordert Thor mit Blick auf das Sonderprogramm, mit dem der Bund bis Ende 2018 jährlich bis zu 10.000 zusätzliche BFD-Plätze unterstützt.

Deutschkurse neben dem Bufdi

Ein weiteres Problem sind unzureichende Deutschkenntnisse. Während Simo gut Deutsch spricht, haben viele Flüchtlinge nicht das Mindestsprachniveau B 1, das gerade in der Altenhilfe gefordert ist. "Wir vermitteln daher häufig noch Deutschkurse neben dem Bundesfreiwilligendienst, der auch in Teilzeit geleistet werden kann", erläutert Thor.

Nach seinen Worten passt auch kulturell und wirtschaftlich ein Einsatz im BFD nicht immer zu den Vorstellungen der Geflüchteten: "Viele Flüchtlinge kennen die soziale Arbeit, zum Beispiel in der Behindertenhilfe, aus ihren Heimatländern nicht und haben Berührungsängste oder gar Vorurteile", sagt der Experte. Viele Flüchtlinge wollten mehr verdienen, als dies im Bundesfreiwilligendienst möglichst ist, um ihren Familien im Heimatland Geld schicken zu können. Simo ist dagegen mit ihren monatlich 319 Euro Bufdi-Taschengeld zufrieden.

Regina Illemann

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