» Flüchtling aus Kirchenasyl erhält Unterkunft in Nordkirchen
» Diakoniepräsident Lilie fordert Grundsicherung für Kinder
» Gewerkschaft will sechs Prozent mehr Lohn für Diakoniebeschäftigte
» Aids-Hilfe beklagt veraltetes Bild von HIV-Infizierten
» NRW: Patienten bleiben deutlich kürzer im Krankenhaus

Abschiebung

Flüchtling aus Kirchenasyl erhält Unterkunft in Nordkirchen




Kirchenasyle bieten Flüchtlingen schutz.
epd-bild / Rolf Zöllner
Der 31-jährige Flüchtling, der gewaltsam aus einem Kirchenasyl in Münster abgeführt wurde, soll in einer Unterkunft in Nordkirchen untergebracht werden. Dem Mann sei von der Kommune die Unterkunft zugewiesen worden, sagte ein Sprecher des westfälischen Kreises Coesfeld am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der Flüchtling war vor seinem Kirchenasyl in dem Ort untergebracht. Das Verwaltungsgericht Münster hatte am Dienstagabend in einer Eilentscheidung die drohende Abschiebung nach Ungarn gestoppt. (Az: 2 L 1277/16.A)

Mit der Entscheidung sei klar, dass das Vorgehen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge BAMF wie der Ausländerbehörde des Kreises Coesfeld in diesem Fall rechtswidrig gewesen seien, erklärte der Anwalt des Netzwerkes Kirchenasyl, Michael Gödde. Das Verwaltungsgericht teile die Auffassung, dass nach Ungarn nicht abgeschoben werden dürfe.

Asyl-Initiativen kritisierten scharf das Vorgehen und die Entscheidung des Bundesamtes sowie ihre Umsetzung durch den Kreis Coesfeld. Sie freue sich sehr, dass dem Mann aus Ghana die Abschiebung nach Ungarn erspart geblieben sei, erklärte Julia Lis vom Netzwerk Kirchenasyl. Zugleich sei die Initiative aber "bestürzt, dass um ein Haar ein solches schweres Unrecht passiert wäre". Kirchenasyle seien ein legitimes Mittel, um Bedürftigen Schutz zu gewähren, wo staatliche Behörden bei dieser Aufgabe versagten. "Kirchenasyle sind leider Gottes notwendiger denn je."

Der 31-jährige Mann aus Ghana war am Dienstagvormittag von der Polizei aus dem Kloster der Kapuziner in Münster abgeführt worden. Der Mann war nach Angaben des Netzwerks Kirchenasyl zunächst in Ungarn registriert worden. Nach dem Dublin-Abkommen der Europäischen Union muss ein Flüchtling in dem EU-Staat Asyl beantragen, über den er in die EU eingereist ist. Das Bundesamt hatte die Abschiebung nach Ungarn angeordnet.

Nach Einschätzung des Verwaltungsgerichts genügt die Versorgung von Flüchtlingen in Ungarn nicht den Anforderungen des EU-Rechts und der europäischen Menschenrechtskonvention. Das Netzwerk Kirchenasyl erklärte, der Mann aus Ghana sei zudem herzkrank und sei daher auf entsprechende medizinische Behandlung angewiesen.

Beim Kirchenasyl werden Flüchtlinge ohne legalen Aufenthaltsstatus von Kirchengemeinden zeitlich befristet beherbergt. Ziel ist, in Härtefällen eine unmittelbar drohende Abschiebung in eine gefährliche oder sozial unzumutbare Situation zu verhindern und eine erneute Prüfung des Falles zu erreichen.



 
 

Kirchen

Diakoniepräsident Lilie fordert Grundsicherung für Kinder



Diakoniepräsident Ulrich Lilie hat eine allgemeine Grundsicherung für Kinder gefordert, um der Armut unter Heranwachsenden wirkungsvoll begegnen zu können. Damit könnten insbesondere die Teilhabechancen benachteiligter Kinder und Jugendlicher verbessert werden, sagte Lilie am Mittwoch in Bremen. Außerdem müsse mehr Geld in staatlich geförderte Jobs beispielsweise für langzeitarbeitslose Eltern investiert werden, denn es sei besser, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu fördern. "Und Kinder erleben, dass ihre Eltern wieder eine Perspektive haben."

Lilie trat in Bremen eine thematische Sommertour an, die sich mit Kinder- und Jugendarmut beschäftigt. Das kleinste Bundesland hat in dieser Hinsicht mit besonderen Problemen zu kämpfen: Nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist in Bremen fast jedes dritte Kind unter 15 Jahren von Hartz IV abhängig. Damit rangiert der Zweistädtestaat im Bundesvergleich an letzter Stelle. Deutschlandweit lebt im Durchschnitt etwa jedes fünfte Kind in Armut.

Armut schränke die Bildungschancen von Kindern, ihre gesundheitliche Entwicklung sowie kulturelle und soziale Beteiligungsmöglichkeiten ein, sagte Lilie. Um das zu ändern, sei ein Netzwerk nötig, in dem Kommunen und Wohlfahrtsverbände kooperieren müssten. "Es braucht Bündnisse für gute Lösungen."

Eine aktivere Arbeitsmarktpolitik für Langzeitarbeitslose, zu der die Diakonie unter dem Stichwort Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) ein Modell entwickelt hat, könnte Lilie zufolge "bundesweit ein Erfolgsmodell sein". Im Kern werden passive Leistungen, die ein Hartz-IV-Empfänger vom Staat bekommt, dafür genutzt, um Arbeit zu finanzieren. Der Diakoniechef schlug vor, die Wirksamkeit in Modellregionen wie etwa Bremen auszuprobieren. Gleichzeitig warnte er: "Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, Langzeitarbeitslosigkeit normal zu finden."

Unter den Erwerbslosen in Bremen stecken Lilie zufolge mehr als 40 Prozent im Teufelskreis verfestigter Arbeitslosigkeit. Mehr getan werden müsse aber auch für Alleinerziehende, denn auch sie und ihre Kinder seien einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt. Um dem zu entkommen, müsse mit mehr Kita- und Krippen-Plätzen eine angemessene Bildungsinfrastruktur geschaffen werden. Lilie kritisierte, obwohl Deutschland zu den reichsten Ländern gehöre, sei es im europäischen Vergleich Schlusslicht, was Teilhabechancen der Kinder in Abhängigkeit zur sozialen Herkunft angehe.

Lilie und Bremens Landesdiakoniepfarrer Manfred Meyer befürworteten ein Gutscheinsystem wie in Hamburg, um die Zahl der Betreuungsplätze in Kindertagesstätten und -krippen auszubauen. Dort regelt die Nachfrage den Bedarf: In Hamburg bekommen die Eltern einen Gutschein in Form einer "Kita-Card", mit der sie sich eine Einrichtung aussuchen. "Ein interessanter Weg, damit Anbieter Plätze schaffen können, die dann aber auch auskömmlich finanziert werden müssen", sagte Lilie. Meyer ergänzte, das Gutscheinsystem sei "der einzige Weg, um den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz erfüllen zu können".


 
 

Tarifverhandlungen

Gewerkschaft will sechs Prozent mehr Lohn für Diakoniebeschäftigte



Die Gewerkschaft ver.di fordert sechs Prozent mehr Lohn für die rund 32.000 Beschäftigten der Diakonie in Niedersachsen. Außerdem solle der Nachtzuschlag in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen um 25 Prozent angehoben werden, sagte Gewerkschaftssekretärin Annette Klausing am Mittwoch in Hannover. Auch die Einstiegsgehälter für Berufsanfänger müssten angesichts des Fachkräftemangels dringend erhöht werden. Die Arbeitgeberseite zeigte sich von den Forderungen "überrascht": Der Dienstgeberverband nehme sie "mit Skepsis zu Kenntnis".

Der bundesweit einzige Tarifvertrag zwischen ver.di und der Diakonie läuft zum Ende des Monats aus. Die Gewerkschaft und die Arbeitgeber, der Diakonische Dienstgeberverband Niedersachsen, haben eine erste Verhandlungsrunde für den 6. September vereinbart.

Der Vorsitzende des Diakonischen Dienstgeberverbandes Niedersachsen, Rüdiger Becker, kündigte an, die Forderungen genau zu prüfen. Die Diakonie sei zu angemessenen Erhöhungen der Gehälter bereit, sehe jedoch angesichts wachsender privater Konkurrenz und hart verhandelnder Kostenträger nur einen begrenzten Verteilungsspielraum. Schon jetzt zahle die Diakonie die höchsten Gehälter in der Branche. Die Forderungen von ver.di überraschten, weil sie deutlich über die Forderungen für den öffentlichen Dienst hinausgingen. Würden alle Forderungen der Gewerkschaft erfüllt, kämen auf die Diakonie rund 100 Millionen Euro Mehrkosten zu.

Klausing rechtfertigte die Forderungen mit einem Hinweis auf den Öffentlichen Dienst. Dort erhielten die Beschäftigten in diesem Jahr 2,4 Prozent und im kommenden Jahr 2,35 Prozent mehr Gehalt. Die Diakonie müsse den Anschluss an die Tarifentwicklung halten. Selbst die privaten Pflegeanbieter hätten ihre Entgelte stark angehoben, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Dies gelte auch für den Nachtzuschlag. In den meisten Fällen sei dieser außerhalb der Diakonie an einen bestimmten Prozentsatz des Stundenlohns gekoppelt. In der Diakonie werde 1,28 Euro Zuschlag pro Stunde gezahlt.

Der Tarifvertrag gilt für 159 diakonischen Einrichtungen in Niedersachsen. Darunter fallen rund 70 stationäre und 32 ambulante Pflegeeinrichtungen. Dazu kommen acht Krankenhäuser und 49 Einrichtungen der Behindertenhilfe, Jugendhilfe, Wohnungslosenhilfe sowie Beratungsstellen und Berufsfördereinrichtungen.


 
 

Gesundheit

Aids-Hilfe beklagt veraltetes Bild von HIV-Infizierten



Das Bild von HIV-Infizierten ist nach Einschätzung der Deutschen Aids-Hilfe bei vielen Menschen völlig veraltet. Eine HIV-Infektion sei heute eine beherrschbare Krankheit mit wenig Nebenwirkungen, sagte der Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe, Ulf Hentschke-Kristal, am Mittwoch in Hamburg. Viel schwerwiegender sei für viele Betroffene die gesellschaftliche Ausgrenzung. Rund 500 Menschen werden von Donnerstag in Hamburg zum viertägigen Kongress "Positive Begegnungen" erwartet. Es ist nach eigenen Angaben Europas größte Selbsthilfekonferenz zum Leben mit HIV. Schirmherr ist Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli.

Neue Therapien hätten mittlerweile dazu geführt, dass selbst ungeschützter Sex mit HIV-Infizierten in bestimmten Fällen kein höheres Risiko berge als bei Nutzung von Kondomen, sagte Holger Wicht, Sprecher der Aids-Hilfe. Von Blutspenden werde wegen des Restrisikos allerdings abgeraten. Rund 3.200 Menschen infizierten sich pro Jahr in Deutschland neu. Das größte Infektionsrisiko seien sexuelle Kontakte mit HIV-Infizierten, die nicht in medizinischer Behandlung sind. Rund 13.000 Menschen wüssten nach Hochrechnungen des Robert-Koch-Instituts nichts von ihrer HIV-Infektion. Von den rund 83.000 HIV-Infizierten in Deutschland seien 60.000 in Behandlung.

Nur wenige Menschen hätten verinnerlicht, dass HIV-Infizierte eine vergleichbar hohe Lebenserwartung wie andere Menschen hätten und im Arbeitsleben genauso leistungsfähig seien, beklagte Aids-Hilfe-Vorstand Hentschke-Kristal. Jeder fünfte Betroffene habe nach einer Umfrage schon Diskriminierung bei der medizinischen Behandlung etwa beim Zahnarzt erfahren. Arbeitgeber lehnten HIV-Infizierte als Flugbegleiter oder Krankenhaus-Mitarbeiter ab.

Der Hamburger Infektionsmediziner Thomas Buhk kritisierte, dass zahlreiche Menschen ohne Aufenthaltspapiere, die mit HIV infiziert sind, von der Therapie ausgeschlossen seien. Während bei ihnen die Behandlung von ansteckenden Krankheiten wie Syphilis oder Tuberkulose gut funktioniere, gebe es bei HIV-Infektionen immer noch Probleme. Die Abstimmung sei deshalb schwierig, weil mehrere Behörden und Ämter betroffen sind. Buhk: "Wir müssen eine Lösung für diese Menschen finden."


 
 

Gesundheit

NRW: Patienten bleiben deutlich kürzer im Krankenhaus



Patienten in nordrhein-westfälischen Krankenhäusern bleiben heute im Schnitt 30 Prozent kürzer in der Klinik als vor 15 Jahren. Im vergangenen Jahr betrug die durchschnittliche Verweildauer 7,3 Tage, wie das statistische Landesamt am Mittwoch in Düsseldorf mitteilte. Im Jahr 2000 waren es noch 10,4 Tage. Auch die Zahl der Krankenhäuser verringerte sich in diesem Zeitraum drastisch, unter anderem durch Fusionen: Sie sank um 110 auf 352 Krankenhäuser.

In diesen Kliniken wurden im vergangenen Jahr rund 4,5 Millionen Patienten stationär behandelt, das waren 0,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Ende 2015 waren knapp 40.000 hauptamtliche Ärzte in den NRW-Krankenhäusern beschäftigt, 2,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Zahl der Beschäftigten im Pflegedienst blieb mit gut 100.000 in etwa gleich.