Bonn (epd). Der CDU-Politiker Hermann Gröhe hat die Pläne zu einem Lieferkettengesetz gegen Kritik aus der Wirtschaft verteidigt. "Niemand will eine Gesetzgebung, die Investitionen verhindert und Unternehmen Garantien abverlangt, die sie nicht erfüllen können", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag am 15. Februar auf einer entwicklungspolitischen Tagung in Bonn. Gröhe warf Unternehmensverbänden vor, sie trügen zur Entmutigung bei, indem sie "Zerrbilder" der geplanten Regelung propagierten. Wirtschaftsvertreter kritisieren, dass den Unternehmen Bedingungen zum Nachweis ihrer Lieferketten auferlegt werden sollen, die sie nicht erfüllen könnten.
Nachweis von Lieferketten in Arzneimittelindustrie Standard
Gröhe verwies am 15. Februar auf der Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Bundes Katholischer Unternehmer darauf, dass es darum gehe, schwerste Menschenrechtsverletzungen wie Sklaven- oder Kinderarbeit in Bergwerken zu verhindern. Der Nachweis von Lieferketten sei in der Arzneimittelindustrie bereits problemlos möglich. Dort gebe es sehr genaue Regulierungen.
Wenn die Wirtschaft die Frage der Lieferkette nicht regelt, könnte daraus letztlich auch ein Reputationsschaden entstehen, gab der Christdemokrat weiter zu bedenken. "Es ist mit erheblichem Risiko verbunden." Aus diesem Grund hätten sich bereits viele Unternehmen für eine gesetzliche Regelung ausgesprochen, darunter Nestlé, KiK und Tchibo.
Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Marlehn Thieme, appellierte an international agierende Unternehmen, nicht zu warten, bis der Staat sie zum Handeln zwinge. "Die Wirtschaft sollte sie selber entwickeln und sie auch flächendeckend umsetzen", forderte sie. Wenn der Staat eingreifen müsse, könne es möglicherweise zu Regelungen kommen, die nicht praxisnah genug seien. "Und wir haben auch verloren, weil wir womöglich unseren Staat und sein Parteiensystem mit der Umsetzung überfordern."
Menschenrechtsgruppen fordern baldiges Gesetz
Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen drängen unterdessen darauf, dass die Bundesregierung das angekündigte Lieferkettengesetz bald vorlegt. Der Schutz von Umwelt und Menschenrechten entlang der gesamten Wertschöpfungskette sei keine Utopie, "sondern nur ein Gesetz weit entfernt", erklärte die Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz, Johanna Kusch, am 12. Februar in Berlin. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte Mitte Januar angekündigt, dass innerhalb von vier Wochen Eckpunkte für ein solches Regelwerk vorgelegt werden sollten. Bislang ist dies noch nicht geschehen.
Ein Positionspapier hatten Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Anfang Dezember gemeinsam vorgestellt. Deutsche Firmen sollen demnach gegebenenfalls haften müssen, wenn sie mit ausländischen Partnern zusammenarbeiten, die weder auf Menschenrechte noch auf ökologische Mindeststandards achten oder sittenwidrige Löhne zahlen. Grundlage ist der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte aus dem Jahr 2016: Wenn weniger als die Hälfte der großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bis 2020 der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen, wird "die Bundesregierung weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen prüfen", heißt es darin.
Selbsteinschätzung abgefragt
Seit dem vergangenen Sommer laufen unter Federführung des Auswärtigen Amtes Umfragen zur Selbsteinschätzung deutscher Unternehmen, die derzeit noch andauern. Bislang waren Müller und Heil mit der Resonanz und den Ergebnissen nicht zufrieden.
Rechtsexperten der Initiative Lieferketten erstellten nun ein Gutachten. Darin heißt es, dass ein Gesetz vor allem präventiv wirken solle. "Unternehmen sollten dazu verpflichtet werden, die Risiken für Mensch und Umwelt in ihren Geschäften zu analysieren, diesen vorzubeugen und das öffentlich zu dokumentieren", erklärte Christian Schliemann vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR). "Verstoßen sie gegen diese Pflichten, muss das Konsequenzen haben: zum Beispiel Bußgelder oder den Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren."
Ferner fordert die Initiative, dass das Gesetz auch für kleine und mittelständische Unternehmen gilt, wenn diese in Branchen mit hohen Risiken für Mensch und Umwelt tätig sind - etwa der Textilbranche. In dem Bündnis haben sich gut 90 Organisationen zusammengeschlossen, darunter Umweltverbände, Gewerkschaften und kirchliche Akteure.