Mit einer kämpferischen Rede hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 10. Dezember in Marrakesch den UN-Migrationspakt verteidigt. Zum Schutz der Bürger sei es nötig, illegale Migration gemeinsam zu bekämpfen, rief Merkel den Vertretern aus 164 Staaten zu, die zuvor den Migrationspakt per Akklamation verabschiedet hatten. Nationale Alleingänge würden das Problem nicht lösen. In dieser Woche soll die UN-Vollversammlung den Pakt verabschieden. Die nötige Mehrheit gilt als sicher.

Mehrere Staaten haben den Vereinten Nationen bisher mitgeteilt, dass sie die Unterstützung für den Pakt zurückziehen, den sie selbst mitverhandelt haben. Es sind dies Australien, Chile, die Dominikanische Republik, Österreich, Lettland, Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn. Die USA waren bereits den Verhandlungen ferngeblieben. Weitere sechs Staaten überlegen noch, wie sie sich zum Pakt verhalten. Unter ihnen ist auch die Schweiz, die die Verhandlungen für den Pakt gemeinsam mit Mexiko geleitet hatte.

Leidenschaftlich

Die in Marokko anwesenden Befürworter des völkerrechtlich nicht verbindlichen Abkommens sprachen sich auch deshalb leidenschaftlich für den Migrationspakt aus und betonten die grundsätzliche Bedeutung des Pakts für gemeinsames Handeln der Weltgemeinschaft. Merkel erinnerte an die deutsche Geschichte und das unendliche Leid, das Deutschland durch den Nationalsozialismus über die Menschheit gebracht habe. "Die Antwort auf puren Nationalismus war die Gründung der Vereinten Nationen und das Bekenntnis zur gemeinsamen Lösung der Fragen, die uns bewegen", sagte die Kanzlerin.

Der belgische Ministerpräsident Charles Michel erklärte, das Bekenntnis zu universellen Prinzipien habe nach den Schrecken zweier Weltkriege Hoffnung genährt. Vor diesem Hintergrund habe er sich für den Pakt entschieden, obwohl darüber seine Koalition zerbrochen sei. Dafür erntete er mehrfach andauernden Applaus.

UN-Generalsekretär António Guterres äußerte am 10. Dezember die Hoffnung, dass die abwesenden Staaten sich dem Pakt in Zukunft anschließen werden. In seinem Plädoyer forderte er, Mythen zu überwinden und die Realität anzuerkennen. Dazu gehöre, dass der Großteil der Migration auf der Südhalbkugel stattfinde. Dessen ungeachtet seien viele Staaten auf der Nordhalbkugel angesichts ihrer Überalterung auf Migration angewiesen.

Umsetzung angemahnt

Vertreter der Zivilgesellschaft forderten nach der Verabschiedung schnelles Handeln. Der Pakt biete die Gelegenheit, eine gescheiterte Migrationspolitik zu reparieren, sagte Francesco Rocca, Präsident der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmongesellschaften. Derzeit gefährde die Kriminalisierung der Hilfe für Migranten im Mittelmeer die Arbeit humanitärer Akteure. Mit dem Pakt sei zwar keine völkerrechtliche, aber doch eine ethische Verpflichtung verbunden.

Auch die Präsidentin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, hob die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit in der Migrationspolitik hervor. Die Verabschiedung des Migrationspakts sei ein wichtiges Signal, wichtiger sei nun jedoch die konkrete Umsetzung. So müssten Migranten und Migrantinnen besser vor Ausbeutung bei der Arbeit, vor Diskriminierung und vor organisiertem Verbrechen geschützt werden.

Der Hamburger katholische Erzbischof Stephan Heße sprach von einem Meilenstein. Der Pakt orientiere sich unmissverständlich an den Menschenrechten und wisse sich zugleich pragmatischen Lösungsstrategien verpflichtet, erklärte der Migrationsbeauftragte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz: "An den Standards, die er festschreibt, müssen sich die Staaten künftig messen lassen."

23 Ziele

Das katholische Hilfswerk Misereor begrüßte den besonderen Platz, den Umweltmigration im Migrationspakt einnehme. Immer mehr Menschen seien genötigt, ihre Heimat zu verlassen, weil aufgrund des Klimawandels ihre Lebensgrundlagen bedroht seien, erklärte der Geschäftsführer Internationale Zusammenarbeit bei Misereor, Martin Bröckelmann-Simon. Jedes Zehntelgrad Temperaturanstieg verschärfe diese Situation.

Der UN-Migrationspakt soll lebensgefährliche und chaotische Migration durch internationale Kooperation verhindern. Nach einer Präambel und sieben Leitprinzipien werden dafür 23 Ziele aufgeführt, darunter die Beseitigung von Fluchtursachen, integriertes Grenzmanagement, die Bekämpfung von Schleusern und Menschenhandel, bessere Zusammenarbeit bei der Rückkehr von Migranten in ihre Heimatländer und auch die Eröffnung legaler Möglichkeiten zur Einwanderung. Ob und wie diese Ziele umgesetzt werden, ist alleine den Nationalstaaten überlassen.