Altbundespräsident Joachim Gauck hat alle Demokraten aufgefordert, sich strikt von rechtsextremen Gruppen, wie sie in Chemnitz aufgetreten sind, abzugrenzen. Ein Dialog mit solchen Gruppen sei unmöglich, denn sie wollten Sieg und Meinungsherrschaft, ohne überzeugen zu wollen, sagte Gauck am 9. September in Kaiserslautern. Gauck sprach auf dem Festakt der Evangelischen Kirche der Pfalz zum 200. Jahrestag der Pfälzer Kirchenunion.

In eine Gruppe berauschter Menschen wie in Chemnitz mit Verständnis, Nachdenklichkeit und Vernunft einzudringen, sei kaum möglich, sagte Gauck. Er appellierte an die Gesellschaft, Verantwortung zu übernehmen und die Demokratie zu schützen. In diesen Tagen habe die Überzeugung, dass sich in einer Demokratie letztlich die vernünftige Wahrheit durchsetzen werde, stark gelitten.

Bewegungen, einige Politiker und sogar Regierungen pflegten bestenfalls ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit. Sie säten Zweifel selbst an evidenten wissenschaftlichen Erkenntnissen. "Und mit der Zerstörung des Glaubens an eine überprüfbare Wahrheit öffnet sich die Tür zur Verbreitung der Unwahrheit, ja der offenkundigen und beweisbaren Lüge, um die eigenen politischen Ziele durchzusetzen." Das sei das Ende der Meinungsfreiheit.

Warnung vor Autokraten

Im Festgottesdienst in der Kaiserslauterer Stiftskirche warnte der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad vor den Gefahren für Freiheit und Demokratie heute. Autokraten wie Erdogan, Putin und Orban griffen massiv die Meinungs- und Pressefreiheit an, begrenzten Rechte und grenzten Menschen aus, sagte Schad. Es sei ein Kampf um die Wahrheit ausgebrochen, an dem die Freiheit zu zerbrechen drohe.

Selbst in den USA, die als Hüterin der Pressefreiheit gelte, stelle Präsident Donald Trump kritische Journalisten als Feinde des Volkes dar. Dabei gehe es ihm nur um die eigene Wahrheit nach dem Motto: "Wer die Welt nicht so sieht wie ich, der lügt".

Gleiches gelte für Menschen, die auf der Straße "Lügenpresse" riefen, die sozialen Medien mit Hass-Kommentaren füllten und gezielt Sprache manipulierten, um damit neue Wirklichkeiten zu setzen. Als Beispiel nannte der Kirchenpräsident den Begriff "Asyltourismus". Schad forderte die Christen auf, dazu beizutragen, dass Rede und Widerrede im friedlichen Streit der Argumente möglich bleibe.

1818 hatten sich in Kaiserslautern die bis dahin getrennten reformierten und lutherischen Gemeinden der Pfalz zu einer gemeinsamen Kirche vereinigt. Die Pfälzer Kirchenunion entstand, weil die Gemeinden es wollten, sie war eine Basisbewegung.