Es war ein besonderes Empfangskomitee. "Tourism kills Mallorca" stand auf dem großen Transparent, mit dem rund 15 Protestierende Mitte Juli auf dem Flughafen von Palma de Mallorca die ankommenden Urlauber empfingen. "Ein Flug pro Minute ist nicht nachhaltig", kritisierte ein junger Mann. Eine ältere Dame hatte auf ihr Schild gemalt: "Massentourismus ist gleich prekäre Arbeitsbedingungen." Spanien ist weiterhin eines der beliebtesten Urlaubsziele auf der ganzen Welt. Doch mehr und mehr Spanier sind der vielen Urlauber überdrüssig.

82 Millionen Ausländer verbrachten im vergangenen Jahr ihre Ferien in dem Land, neun Prozent mehr als im Vorjahr. Das sind fast doppelt so viele Touristen wie Einwohner. Und ihre Zahl steigt weiter: Im ersten Halbjahr 2018 haben 37,1 Millionen Menschen Spanien besucht, das sind noch einmal 1,8 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Vor allem bei US-Amerikanern, Portugiesen, Russen und Niederländern erfreut sich das Land mit Zuwachsraten von mehr als zehn Prozent wachsender Beliebtheit - obwohl die Urlaubsorte eigentlich schon voll sind. Die konservative Regierung des Landes, die bis Juni im Amt war, hatte die Entwicklung begrüßt. Schließlich arbeiten fast 2,7 Millionen Menschen in der Branche, das sind mehr als auf dem Bau zu Boomzeiten. Allerdings sind die meisten Arbeitsverträge nur zeitlich befristet.

Elf Touristen pro Einwohner

Die Balearen-Inseln Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera sind mit 13 Millionen Ausländern am Rande ihrer Kapazitäten. Auf jeden Einwohner kommen im Jahr damit elf Touristen. Eine rot-grün geführte Regionalregierung führte dort darum schon 2002 eine Abgabe in Höhe von 1,03 Euro pro Tag und Urlauber ein.

Ein Jahr später schafften die Konservativen die Steuer zwar wieder ab, doch seit 2016 zahlen die Urlauber wieder, inzwischen je nach der Anzahl der Sterne des Hotels zwischen 65 Cent und vier Euro am Tag. Die Touristen haben damit bereits Kanalarbeiten, Strandboulevards oder eine Meerwasserentsalzungsanlage finanziert. Eine ähnliche Steuer gibt es inzwischen auch in Katalonien.

Im berühmten Viertel El Arenal in Palma de Mallorca werden zahlreiche Hotels renoviert, eines sogar abgerissen. Neue, hochwertigere Unterkünfte sollen so entstehen, den billigen "Sauftourismus" verdrängen. Der Branchenverband "Exceltur" begrüßt die Maßnahmen, doch bislang stellt sich kaum Erfolg ein.

In manchen Kommunen auf den Balearen kostet der Straßenverkauf von Alkohol - außerhalb der Lokale - nach 24 Uhr bis zu 3.000 Euro Strafe, das sogenannte "Balconing", das Klettern von einem Balkon eines Hotels zum nächsten, bis zu 750 Euro. Trotzdem sind in diesem Jahr schon sechs Menschen beim Balkonklettern umgekommen. Oft waren die meist jugendlichen Urlauber dabei betrunken oder hatten Drogen konsumiert. Mitte August war auch ein junger Deutscher auf Mallorca in den Tod gestürzt, die Umstände sind bislang ungeklärt.

Unterschriftenaktion gegen Billigtourismus

In Cala Ratjada auf Mallorca beschweren sich die Bewohner über deutsche Fußballvereine, die in der Stadt regelmäßig das Ende der Saison feiern. Einer Unterschriftenaktion gegen Billigtourismus schlossen sich 11.000 Einwohner Mallorcas an.

Schlimmer noch ist die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt: Die Stadtverwaltung von Palma de Mallorca schätzt, dass die Mieten in der Inselhauptstadt in den vergangenen vier Jahren um 40 Prozent gestiegen sind. Hauptgrund sei die kommerzielle Vermietung von Wohnungen als Ferienappartements. Die Stadt hat darum ein Verbot ausgesprochen. Schon im Februar verhängte Palma eine Strafe in Höhe von 300.000 Euro gegen die Internetplattform Airbnb, die Wohnungen anbot, die bei der Regionalbehörde nicht als Ferienwohnungen registriert waren.

In Barcelona gibt es schon seit Jahren ähnliche Klagen. In den berühmten Markthallen der Boquería erledigt kaum noch ein Bewohner der Mittelmeermetropole seinen Einkauf. Immer mehr Essensstände für Touristen verdrängen die traditionellen, Fleisch-, Fisch- und Obsthändler.

In Madrid berichtet die Stadtverwaltung, in der Innenstadt komme inzwischen auf jeden waschechten Madrider ein Tourist. Barcelona, Madrid, aber auch die baskischen Städte Bilbao und San Sebastián haben gegen die Wohnraumzweckentfremdung ähnliche Initiativen wie die Behörden in Palma de Mallorca ergriffen.

Doch das letzte Wort ist in der Sache noch nicht gesprochen: Die spanische Wettbewerbsaufsicht hat eine Verwaltungsklage dagegen angekündigt. Die kommerziellen Anbieter wollten auch über die Europäische Union Druck auf die lokalen Gesetze gegen Urlauberappartements machen, berichten spanische Zeitungen.

Ein wenig mehr vom Urlauberstrom hätte unterdessen die südlich von Madrid gelegene Region Kastilien-La Mancha gerne: Rund 234.000 ausländische Feriengäste kommen hier auf mehr als zwei Millionen Einwohner, so wenig wie nirgends sonst in Spanien. Die Region wirbt zwar mit wunderschönen historischen Zentren wie in Toledo oder Cuenca oder mit zahlreichen Schauplätzen des "Don Quijote", des berühmten Romans von Miguel de Cervantes. Aber sie hat eben kein Meer. Und dahin zieht es immer noch die meisten Touristen.