Das Verschwinden des Josef Mengele
Der Nazi-Massenmörder Josef Mengele wurde nie gefasst. Der „Todesengel von Auschwitz“ floh, wie viele Nazis, über die „Rattenlinie“ nach Argentinien. Der russische Regisseur Kirill Serebrennikov, bekennender Putin- und Ukrainekriegsgegner, adaptiert den gleichnamigen Tatsachenroman des französischen Autors Olivier Guez. Der Film setzt mit dem Sturz von Präsident Juan Perón 1955 ein, als es für Mengele nicht mehr sicher war in Argentinien. August Diehl spielt ihn mit kalter Präzision als Getriebenen und Fanatiker, der sich auf Geldzuwendungen aus der Bundesrepublik und auf ein Netzwerk aus untergetauchten Nazis in Südamerika stützt. Der Film betreibt keine Täterpsychologie, eine Identifikation verhindert Serebrennikov durch die Kälte seiner Inszenierung und den Verzicht auf Thrillerelemente. Man mag dem Film keinen allzu hohen Erkenntnisgewinn bescheinigen, aber als Beispiel über das Fortleben faschistischer Ideologie und Strukturen in der Nachkriegszeit funktioniert er.
Das Verschwinden des Josef Mengele (Frankreich/Mexiko/Deutschland/Großbritannien/Spanien 2025). Regie: Kirill Serebrennikov. Buch: Olivier Guez. Mit: August Diehl, Max Bretschneider, Dana Herfurth, Friederike Becht, Mirco Kreibich, David Ruland, Annamária Lang, Tilo Werner, Burghart Klaußner. Länge: 135 Min.
Franz K.
Franz Kafka ist seit jeher ein Faszinosum für Agnieszka Holland. Gemeinsam mit ihrem bewährten Co-Autor Marek Epstein widmet sie ihm nun ein Biopic, das keines sein will. Ungeachtet der erzählerischen Ökonomie packen sie alles in ihren Kafka-Film hinein, was einem nur zu dieser Gestalt einfallen kann. Etappen aus Kindheit, Jugend und Erwachsenenleben lassen sie Revue passieren, visualisieren Szenen aus seinem Werk in künstlerischen Sequenzen, rekapitulieren knapp das Schicksal seiner jüdischen Familienmitglieder und blenden schließlich vor auf seinen Nachruhm. Einzig Kafkas spätes Liebesglück mit Dora Diamant sparen sie aus. Brav inszenierte, klassische Biopic-Elemente wechseln sich so mit fidelen Bravourstücken ab. An Fantasie fehlt es dem Film nicht, kurioserweise aber an der Neugierde, ungekannte Aspekte des Menschen und Künstlers zu entdecken.
Franz K. (Tschechien/Polen/Deutschland/Frankreich/Türkei 2025). Regie: Agnieszka Holland. Buch: Marek Epstein. Mit: Idan Weiss, Peter Kurth, Katharina Stark, Sebastian Schwarz, Carol Schuler, Jenovéfa Boková, Ivan Trojan, Sandra Korzeniak, Aaron Friesz, Josef Trojan. Länge: 127 Min. FSK: ab 16.
Frankenstein
Mary Shelleys Roman stand bei Guillermo del Toro, Meister des fantastischen Kinos, seit langem oben auf der To-do-Liste und man sieht, es ist ein Werk der Liebe. Da gibt es hinreißende visuelle Einfälle und dieser Drang zum Schönen erstreckt sich selbst auf das „Monster“, besetzt mit dem idealschönen Jacob Elordi. Der hat nicht nur eine Seele, sondern eine eigene Erzählung, auch wenn seine Subjektwerdung trotzdem an Vorurteilen scheitert. Die etwas überladene Inszenierung zelebriert auch Victor Frankensteins (Oscar Isaac) Erfindungsreichtum, indem sie sein Experiment als kreativen Rausch in Szene setzt. Victors Schuld besteht weniger darin, an die Grenzen des menschlich Machbaren zu gehen; das Problem ist, dass er sein Baby im Stich lässt - der Film zeigt Victor fast komisch überfordert mit der Care-Arbeit. Alles hübsche Verschiebungen, aber keine Umwälzungen im Frankenstein-Universum. Trotzdem empfiehlt es sich, den Film im Kino zu schauen, bevor die Netflix-Produktion im November ins Streaming geht.
Frankenstein (USA 2025). Regie und Buch: Guillermo del Toro. Mit: Oscar Isaac, Jacob Elordi, Mia Goth, Felix Kammerer, Charles Dance, Christoph Waltz, Lars Mikkelsen, David Bradley, Christian Convery, Sofia Galasso. Länge: 149 Min. FSK: ab 16.
Ab morgen bin ich mutig
Der zwölfjährige Karl (Jonathan Köhn) hat sich verliebt. Ausgerechnet in die wunderschöne Lea (Cheyenne Aaliyah Roth), die gut einen Kopf größer ist als er. Trotzdem gibt er nicht auf. Er hat auch schon einen Plan, sich Lea zu offenbaren, bei dem Plateauschuhe eine Rolle spielen. Ein Liebesfilm für Kinder ist selten im Kino, dabei gibt es für diese Art von Gefühlen kein Alter. Es ist nur schwierig, authentisch darüber zu erzählen, ohne Klischees zu bemühen, kitschig oder belehrend zu werden. Bernd Sahling hat seine Protagonisten ernst genommen, mit ihnen und nicht über sie gesprochen und seine Kamera auf Augenhöhe positioniert. Da es im Kinderfilm nicht darum gehen kann, ob sie sich kriegen oder nicht, stehen die Abgrenzung von der Erwachsenenwelt und der Übergang von der Kindheit in die Pubertät im Zentrum. Ein schmunzelnder Film über die Leidenschaft, der niemanden bloßstellt.
Ab morgen bin ich mutig (Deutschland 2025). Regie und Buch: Bernd Sahling. Mit: Jonathan Köhn, Darius Pascu, Cheyenne Aaliyah Roth, Anna Bahners, Elijas Amerein, Tamino Gottlebe. Länge: 83 Min.
