Spalt, München (epd). Da hatte der Osten die Nase vorn: Das erste alkoholfreie Bier in Deutschland braute der Volkseigene Betrieb (VEB) Engelhardt-Bräu in Ostberlin 1972. Die Regierung wollte den Autofahrern das „Aubi“ schmackhaft machen, weil sich auf den Straßen der Republik immer mehr Unfälle ereigneten, bei denen die Fahrer unter Alkoholeinfluss standen, erzählt der Professor für Brau- und Getränketechnologie an der Technischen Universität München (TUM), Thomas Becker. Das erste alkoholfreie Bier auf dem Westmarkt war Clausthaler in den 80er Jahren.
Anfangs waren solche Getränke „malzig“, „papieren“ oder „leer“, sagt der Geschäftsführer der einzigen deutschen kommunalen Brauerei, der Stadtbrauerei Spalt (Landkreis Roth), Udo Weingart. Auch heute beherrschten „nicht so viele“ die Kunst, ein alkoholfreies Bier zu machen. Sein Unternehmen stellt mittlerweile ein Weißbier, ein Helles und ein Pils ohne Promille her. „Wir verzeichnen in dem Segment zweistellige Zuwachsraten.“
Alkoholfreies Bier bleibt Nische
Die Deutschen trinken so viel alkoholfreies Bier wie nie zuvor. Im vergangenen Jahr konsumierten sie knapp 579 Millionen Liter. Die hergestellte Menge hat sich damit in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilt. Die Produktion von Bier mit Alkohol ist in den vergangenen zehn Jahren um 14 Prozent zurückgegangen.
Allerdings bleibt Alkoholfreies eine Nische. Es wird immer noch deutlich mehr Bier mit Alkohol produziert und getrunken: Im Jahr 2024 stellten die Brauereien gut 7,2 Milliarden Liter alkoholhaltiges Bier her.
Vermarktung als isotonisches Sportgetränk
Ist der Alkohol im Bier vielleicht sogar verzichtbar? „Ein Brauer würde niemals sagen, dass der Alkohol im Bier überflüssig ist, der Alkohol ist ein Geschmacksträger“ sagt der Spalter Braumeister Stefan Herz und vergleicht ihn mit dem Fett am Schweinebraten. Er wehrt sich aber nicht gegen den erstaunlichen Erfolg seines Biers ohne Alkohol: „Wenn man ein Bier von mir mag, bin ich einverstanden damit, auch wenn das das Alkoholfreie ist.“
„Bis vor zehn Jahren haben die Brauer das alkoholfreie Bier stiefmütterlich behandelt, für sie war es ein Nebenprodukt“, erklärt Professor Becker. Ihre Produkte „waren mastig, brotig oder süß und nicht ausgewogen“. Aber spätestens seit die große Brauerei in Erding ihr alkoholfreies Bier als isotonisches Getränk für Sportler vermarktet, „merkten viele Braumeister, ich muss mir das mal genauer anschauen“.
Alkohol wird nachträglich entzogen
Seither investiert man mehr Grips, „um das Bier besser zu machen“, lobt Becker die Branche. Man habe nicht mehr versucht, das normale Bier nachzuahmen, sondern spezielle Biere gebraut, denen in weiteren Verfahren der Alkohol wieder entzogen wird. „Die Brauer haben da unheimlich viel gemacht.“ Beim Weißbier sei das leicht gewesen, weil obergäriges Bier durch die Hefe ein prägnantes Aroma habe, aber untergäriges Bier, also Helles oder Pils, verzeihe ein „Fehlaroma“ nicht so leicht.
In die Gläser der Stammtischgäste in den Wirtschaften in und um Spalt werde weitgehend alkoholisches Bier gezapft, stellt auch Braumeister Herz fest. Der Stammtisch sei seiner Meinung nach der falsche Platz für alkoholfreies Bier. Hierher gehöre „Geselligkeit und ein traditionelles Bier“.

