Brüssel (epd). Seit über zwei Jahrzehnten verhandeln die EU und der südamerikanische Staatenbund Mercosur über ein umfassendes Freihandelsabkommen. Nun hat die EU-Kommission den Ratifizierungsprozess gestartet. Ein Überblick über Inhalte, Kritikpunkte und den weiteren Weg.

Was ist das Mercosur-Abkommen?

Das Freihandelsabkommen soll eine der größten Wirtschaftspartnerschaften der Welt schaffen - zwischen der EU und dem 1991 gegründeten Mercosur (Mercado Común del Sur - Gemeinsamer Markt des Südens). Dem Bund gehört neben den vier Gründungsstaaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay inzwischen auch Bolivien an. Das Abkommen umfasst sowohl den Abbau von Zöllen auf Industriegüter und Agrarprodukte als auch Regelungen zu geistigem Eigentum, Nachhaltigkeit, öffentlichen Ausschreibungen und politischer Zusammenarbeit.

Was sieht das Abkommen konkret vor?

Rund 91 Prozent der Zölle auf Waren, die zwischen der EU und den Mercosur-Staaten gehandelt werden, sollen entfallen. Die EU-Kommission schätzt, dass das Abkommen die jährlichen EU-Exporte nach Südamerika um bis zu 39 Prozent (49 Milliarden Euro) steigern kann und damit mehr als 440.000 Arbeitsplätze in ganz Europa unterstützt.

Wie läuft die Ratifizierung ab?

Am 3. September nahm die EU-Kommission den Vertragstext offiziell an und leitete ihn an den Rat der Europäischen Union weiter. Dort entscheiden die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit: Mindestens 15 von 27 Ländern, die zugleich mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, müssen zustimmen. Einstimmigkeit ist nicht erforderlich.

Im Anschluss muss auch das Europäische Parlament dem Abkommen zustimmen. Da es sich jedoch um ein sogenanntes „gemischtes Abkommen“ handelt, das neben Handelsfragen auch politische Aspekte wie Menschenrechte und Umweltstandards enthält, ist grundsätzlich auch die Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten notwendig.

Um den Prozess zu beschleunigen, hat die Kommission das Abkommen aufgeteilt: Ein reines Zwischenhandelsabkommen, das nur die Bereiche der ausschließlichen EU-Zuständigkeit umfasst, könnte bereits in Kraft treten, wenn Rat und Parlament zugestimmt haben. Es würde allerdings auslaufen, sobald das vollständige Partnerschaftsabkommen in Kraft tritt. Der politische Teil bleibt dagegen auf die Zustimmung aller Mitgliedstaaten angewiesen - was den Prozess erheblich verzögern könnte.

Was sind die Hauptkritikpunkte?

Kritiker aus Politik und Zivilgesellschaft befürchten negative Folgen für Umwelt und Menschenrechte. Sie warnen davor, dass das Abkommen Entwaldung in Südamerika begünstigen und europäische Standards untergraben könnte. Besonders Frankreich, Österreich, Belgien und die Niederlande äußerten wiederholt Bedenken.

Auch europäische Bauernverbände fürchten Wettbewerbsnachteile durch zusätzliche Importe etwa von Rindfleisch, Geflügel oder Zucker. Befürworter hingegen argumentieren, dass die EU mit dem Abkommen ihre Standards im Handel mit den Mercosur-Staaten durchsetzen könne - und zugleich neue Marktchancen für Schlüsselbranchen wie Maschinenbau, Automobilindustrie und Pharmaindustrie entstünden.