Der phönizische Meisterstreich
Symmetrische Bildanordnungen, Pastellfarben, Retro-Charme, skurrile Charaktere: Kaum ein Filmstil war in den letzten Jahren so klar erkennbar wie der von Wes Anderson. Auch für seinen neuen Film hat Anderson seine markante Handschrift nicht geändert. Im Mittelpunkt steht der zwielichtige Geschäftsmann Zsa-zsa Korda (Benicio del Toro), der es um 1950 zu großem Reichtum gebracht und sich dabei einige Feinde gemacht hat. Nun möchte er sein Lebenswerk vollenden, die Errichtung eines riesigen Infrastrukturprojekts im Nahen Osten. Hierbei muss er sich mit den Attacken von Terroristen und feindlich eingestellten Regierungen auseinandersetzen. Zugleich versucht er, wieder eine Beziehung zu seiner Tochter Liesel (Mia Threapleton) aufzubauen, die Nonne werden will. Der Film funktioniert als satirisch überspitzte Auseinandersetzung mit der Frage nach Moral im kapitalistischen Geschäftsgebaren. Rundherum inszeniert Anderson das einmal mehr bis in die kleinste Nebenrolle starbesetzte Ensemble in ulkigen Szenen und kombiniert die für ihn typische Verspieltheit mit makabrem Humor.
Der phönizische Meisterstreich (USA/Deutschland 2025). Regie: Wes Anderson. Buch: Wes Anderson, Roman Coppola. Mit: Benicio del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera, Riz Ahmed, Tom Hanks, Benedict Cumberbatch. Länge: 101 Min.
Blindgänger
In der Mitte von Hamburg führt der Fund eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg zu einer weitreichenden Evakuierung und zum Ausnahmezustand bei vielen Bewohnern. Im Mittelpunkt des Episodenfilms stehen Menschen wie Lane (Anne Ratte-Polle), Teil des Bombenentschärfungsteams, die mit psychischen Problemen infolge zweier Panikattacken zu kämpfen hat, Lanes Mutter Margit (Barbara Nüsse), die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt hat, oder der Afghane Junis (Ivar Wafaei), dem die Abschiebung droht. Im Laufe der Evakuierung zeigen sich die kleinen und großen zwischenmenschlichen Dramen ebenso wie ganz unterschiedliche Blicke auf Kriegstraumata. Kombiniert mit knackigem Soundtrack und eine der Kinoleinwand würdigen Bildgestaltung entsteht ein gelungener Beitrag des modernen deutschen Kinos.
Blindgänger (Deutschland 2024). Regie und Buch: Kerstin Polte. Mit: Anne Ratte-Polle, Barbara Nüsse, Haley Louise Jones, Bernhard Schütz, Claudia Michelsen, Daniel Sträßer, Ivar Wafaei. Länge: 95 Min.
On Swift Horses
Kalifornien in den 50er Jahren: Muriel (Daisy Edgar-Jones) und Lee (Will Poulter) leben als junges Paar im ländlichen Kansas. Gemeinsam wollen sie sich dort ein Bilderbuchleben aufbauen. Doch Muriel plagen immer wieder Zweifel, die befeuert werden, als Lees Bruder Julius (Jacob Elordi) aus dem Koreakrieg heimkommt. Seine stürmische, rastlose Art wecken in Muriel versteckte Sehnsüchte. Während Julius sich in wilde Casino-Nächte stürzt und seine Homosexualität auslebt, beginnt Muriel mit Pferdewetten und kommt in Kontakt mit ihrer Nachbarin Sandra (Sasha Calle). Mit stimmigem Flair erzählt der Film von den gesellschaftlichen Grundordnungen der 50er, von denen sich die Figuren behutsam und gefühlvoll emanzipieren.
On Swift Horses (USA 2024). Regie: Daniel Minahan. Buch: Bryce Kass. Mit: Daisy Edgar-Jones, Jacob Elordi, Will Poulter, Diego Calva, Sasha Calle. Länge: 119 Min.
Die Vorkosterinnen
Ende 1943 flüchtet die Sekretärin Rosa Sauer (Elisa Schlott) vor den Bombardements auf Berlin zu ihren Schwiegereltern nach Ostpreußen, die in der Nähe des „Führerhauptquartiers Wolfsschanze“ leben. Eines Tages wird sie zusammen mit sechs anderen Frauen von der SS in den Komplex gebracht, um als Vorkosterinnen die Nahrung an sich selbst auf Gift zu testen. Die Geschichte basiert auf dem italienischen Bestsellerroman „At the Wolf’s Table“, der wiederum auf den Lebenserinnerungen von Margot Wölk fußt. Silvio Soldini („Brot und Tulpen“) inszeniert die Szenen mit einer gewissen Künstlichkeit und baut um das Szenario herum unterschiedliche Figurendynamiken auf. Rosa beginnt eine Beziehung mit einem Offizier (Max Riemelt) und mit der Zeit stellt sich heraus, dass unter den Vorkosterinnen eine Jüdin ist. Damit verheddert sich der Film allerdings in Klischees und kann seine grundsätzlich interessante Perspektive nicht wirklich nutzen.
Die Vorkosterinnen (Italien 2025). Regie: Silvio Soldini. Buch: Doriana Leondeff, Silvio Soldini, Cristina Comencini, Giulia Calenda, Ilaria Macchia, Lucio Ricca. Mit: Elisa Schlott, Max Riemelt, Alma Hasun, Emma Falck, Olga von Luckwald. Länge: 123 Min.