Hannover (epd). Betroffene sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie mussten lange Geduld haben: Doch nun hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Freitag eine Reform der Anerkennungsleistungen für erlittenes Leid und dessen Folgen beschlossen. Das sind die inhaltlichen Schwerpunkte:

LEISTUNGEN: Das neue Verfahren soll in allen 20 Landeskirchen der EKD und den 17 Diakonie-Landesverbänden einheitlich angewendet werden. Es sollen also dieselben Regeln für alle Betroffenen aus dem evangelischen Kontext gelten, egal in welchem Verantwortungsbereich einer Landeskirche oder eines Diakonie-Landesverbands die Taten stattgefunden haben. Es handelt sich um ein eigenständiges Verfahren, das nichts mit juristischen Verfahren vor staatlichen Gerichten zu tun hat. Kirche und Diakonie erkennen laut der Richtlinie mit den Leistungen das Leid an, das den Betroffenen in ihrem Bereich widerfahren ist, und berücksichtigen die daraus resultierenden individuellen Folgen.

GELD: Künftig soll es ein kombiniertes Modell geben aus einer pauschalen Leistung in Höhe von 15.000 Euro, wenn die Tat nach heutigen Maßstäben strafrechtlich relevant war, und einer individuellen Zahlung. Eine Obergrenze für die Zahlungen gibt es nicht. Auch immaterielle Leistungen sind zusätzlich möglich. Betroffene können außerdem entscheiden, ob sie sich das Geld auf einmal auszahlen lassen oder in mehreren Teilzahlungen. Die Zahlungen würden nicht auf staatliche Transferleistungen wie Bürgergeld angerechnet, sagte der Sprecher der Betroffenen im Beteiligungsforum von EKD und Diakonie, Detlev Zander, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

ANTRAG: Betroffene können über ein Formblatt, das ihnen zur Verfügung gestellt wird, Anerkennungsleistungen beantragen. Zuständig sind unabhängige Anerkennungskommissionen. Sie erhalten ein Recht auf ein Gespräch mit der Kommission. Sie müssen auch keine Beweise für die Tat vorlegen. Die Kommission prüft lediglich die Angaben auf Plausibilität. Auch Menschen, die schon einmal eine Zahlung erhalten haben, können erneut einen Antrag einreichen. Das neue System könnte zu einer Erhöhung der Zahlungen führen.

KOMMISSIONEN: Die unabhängigen Anerkennungskommissionen leiten die Verfahren. Die Kommissionen sollen aus mindestens drei Mitgliedern bestehen und müssen immer eine ungerade Zahl an Mitgliedern haben. Beschäftigte von Kirche und Diakonie dürfen nicht Mitglieder werden. Zudem soll wenigstens eine Person über die Befähigung zum Richteramt, mindestens eine weitere über eine traumatherapeutische Qualifikation verfügen, wie es in der Richtlinie heißt.

UMSETZUNG: Die Richtlinie soll ab Januar 2026 überall angewendet werden. Zander betonte, dass es nun auf die flächendeckende Umsetzung ankomme. Denn die Landeskirchen und Diakonie-Landesverbände müssen die Richtlinie noch übernehmen. Dazu heißt es in der Richtlinie: Den Gliedkirchen und der Diakonie wird empfohlen, entsprechende Regelungen auf Grundlage dieser Richtlinie zu treffen. Das müsse zügig gehen, forderte der Betroffenensprecher. „Wir dürfen den Betroffenen nicht noch mehr Leid auferlegen.“