Baku (epd). Der ganz große Scherbenhaufen war es am Ende nicht, beim Weltklimagipfel in Baku. Doch einiges Porzellan dürfte bei den zähen und vor allem zum Schlussspurt chaotischen Verhandlungen doch zu Bruch gegangen sein.

Das zeigte sich im Schlussplenum in der Nacht zum 24. November, kurz nachdem der wohl umstrittenste Beschluss mehr als 30 Stunden nach dem offiziellen Ende der Konferenz abgesegnet wurde: die Aufstockung der Klimahilfsgelder. Von einer „Beleidigung“ und einem „Witz“ sprach nur wenige Minuten nach dem Hammerschlag eine Delegierte aus Nigeria.

Denkfabrik „Powershift Africa“ spricht von „Desaster“

Auf mindestens 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr sollen die maßgeblich von Industrieländern mobilisierten Gelder für Klimaschutz und Anpassung in Entwicklungsländern bis 2035 steigen. Das ist zwar dreimal so viel wie bisher, aber aus Sicht vieler armer Länder zu wenig. Sie waren mit deutlich höheren Forderungen nach Baku gereist. Der Direktor der Denkfabrik „Powershift Africa“, Mohamed Adow, bezeichnete das Ergebnis als „Desaster“.

Auch dass die Klimahilfen in ein umfassenderes Finanzziel eingebettet sind, besänftigt Kritiker nicht. Zwar gibt es die Absicht, die Geldflüsse für Klimavorhaben in Entwicklungsländern innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 1,3 Billionen Dollar zu erhöhen. Aber hier geht es nicht um Mittel, die von Staaten mobilisiert werden, sondern Investitionen insgesamt. Die Entwicklungsländer wollten aber genau das: mehr öffentliches Geld.

Streit über Rolle von China und den Golfstaaten

Dass die Industrieländer sich lange weigerten, überhaupt eine Summe zu nennen, dürfte das Vertrauen in die Verhandlungen nicht gestärkt haben. Schon zu Beginn der zweiten Konferenzwoche rechnete in Baku niemand mehr mit einem pünktlichen Ende. Sogar ein Scheitern schien möglich, spätestens als unter anderem die besonders vom Klimawandel gefährdeten kleinen Inselstaaten die Gespräche am 23. November vorübergehend verließen.

Doch nicht nur über die Höhe der Summe wurde erbittert gestritten. Auch die EU hatte eine Forderung im Gepäck. Im Verbund mit weiteren Industriestaaten wollte man erreichen, dass Länder wie China oder die reichen Golfstaaten zur Klimafinanzierung beitragen.

In einer ohnehin angespannten geopolitischen Ausgangslage stand damit die Aufteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer zur Debatte, deren Logik die internationale Klimapolitik seit Jahrzehnten bestimmt. Die Wirtschaftsmacht China gilt darin noch als Entwicklungsland, ebenso wie die Öl-Staaten Saudi-Arabien oder Katar. Am Ende einigte man sich auf einen Kompromiss: Über den Umweg der multilateralen Entwicklungsbanken sollen in Zukunft auch Gelder von Ländern, die nicht zu den klassischen Gebern zählen, angerechnet werden.

Gastgeber nennt Öl und Gas „Geschenk Gottes“

Hinter den Kulissen wurde derweil von Saudi-Arabien ein weiteres Störfeuer entzündet. Der Golfstaat versuchte laut Beobachtern die bereits beschlossene Abkehr von fossilen Brennstoffen zu verwässern, eine rote Linie für die EU. Dies wurde am Ende zwar verhindert, aber alle weiteren Beschlüsse zur Minderung klimaschädlicher Emissionen sind vertagt.

Dabei säte auch der Gastgeber, dessen Wirtschaft von Gas und Öl abhängt, gleich zu Beginn des Gipfels Zweifel an der eigenen Rolle als offener Vermittler. In seiner Rede holte der autoritär regierende Staatschef Ilham Aliyev erst zu einem Rundumschlag gegen westliche Medien und NGOs aus und bezeichnete dann Öl und Gas als ein „Geschenk Gottes“.

Scherben zusammenkehren bis zur COP30

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisierte die Konferenzleitung schließlich in einem ungewöhnlich scharfen Ton: Europa werde nicht zulassen, dass die verletzlichsten Staaten über den Tisch gezogen werden - „und das im Zweifel auch noch mit Rückendeckung der COP-Präsidentschaft“, sagte sie.

Angesichts all dieser großen und kleinen Störfeuer wirkte es am Ende fast wie ein kleines Wunder, dass überhaupt noch ein Kompromiss zustande gekommen ist. Am frühen Sonntagmorgen, als das Abschlussplenum vorbei war, trat Baerbock noch einmal vor die Presse. Man habe das UN-System gemeinsam mit einem mühsamen Beschluss gestärkt - „und nicht, wie das einige hier offensichtlich auch beabsichtigt hatten, weiter geschwächt“, sagte sie.

Ein Jahr bleibt nun, um die Scherben von Baku zusammenzukehren. Dann steht im brasilianischen Belém die 30. UN-Klimakonferenz an.