Santiago de Chile/La Paz (epd). In La Paz hat am 17. Oktober der Prozess gegen ehemalige Führungspersonen der bolivianischen Opposition begonnen, die nach der umstrittenen Wahl von 2019 für ein Jahr die Regierungsgeschäfte übernommen hatte. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten Luis Camacho und Marco Pumari unter anderem Terrorismus, Verschwörung gegen die Staatsgewalt und Bildung einer kriminellen Vereinigung vor. Die ebenfalls angeklagte Übergangspräsidentin Jeanine Áñez war laut Anklageschrift deren Komplizin, um den Präsidenten Evo Morales zu stürzen.

Nach dem ersten Prozesstag schloss das Gericht in La Paz die ehemalige Präsidentin Áñez aus dem Verfahren aus, weil sie bereits 2022 wegen einer ähnlichen Anklage zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Áñez behauptete beim Verlassen des Gerichts, die Wahlen von 2019 seien durch den damaligen Präsidenten Morales gefälscht worden, weshalb sie als Vizepräsidentin des Senats die Regierungsgeschäfte übernommen habe, um Neuwahlen zu organisieren. Bei dem Prozess handele es sich um eine politische Verfolgung.

Opposition spricht von Wahlfälschung

Vor dem Gericht kam es zu einzelnen verbalen Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern der rechtsgerichteten Übergangsregierung von 2019. Die weitere Verhandlung wurde um eine Woche verschoben.

Áñez hatte im November 2019 mit Unterstützung der Opposition im Senat, der Polizei und des Militärs die Regierung übernommen. Zuvor hatte Carlos Mesa, der Oppositionskandidat der Wahlen vom 20. Oktober 2019, behauptet, die siegreiche Regierungspartei Bewegung zum Sozialismus (MAS) habe das Wahlergebnis gefälscht. Die dritte Wiederwahl von Morales war bereits zuvor umstritten gewesen, da die bolivianische Verfassung eigentlich nur zwei aufeinander folgende Amtszeiten zulässt.

Nach mehreren Wochen der Proteste vonseiten der Opposition drängte das Militär den Präsidenten Evo Morales am 10. November zum Rücktritt. Um die darauffolgenden Proteste von Anhängern des ehemaligen Präsidenten Morales zu unterdrücken, erließ Áñez am 16. November ein Dekret, das die Streitkräfte von jeglicher strafrechtlichen Verantwortung befreite. Infolge der Gewalt starben mindestens 22 Protestierende.