Hannover (epd). Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, beklagt eine mangelnde Debatte über die angekündigte Stationierung von konventionellen Mittelstreckenraketen in Deutschland im Jahr 2026. „Um diese Frage ist es ziemlich still geworden“, erklärte Fehrs am 20. September in Hannover. Dabei bewege das Thema viele Menschen und werde in Landtagswahlkämpfen zum Thema gemacht, ergänzte sie und ließ zugleich Verständnis für die Pläne erkennen, wenn sie einen Beitrag zum Frieden leisten könnten.

Fehrs forderte eine „breite friedens- und sicherheitspolitische Debatte, in der Argumente sorgsam abgewogen werden“. „Ich wünsche mir, dass wir den Mut aufbringen, solche wichtigen Entscheidungen öffentlich intensiver zu diskutieren, schon um zu verhindern, dass dieses Thema zum Gegenstand gezielter Desinformation und äußerer Beeinflussung wird“, sagte die Hamburger Bischöfin.

„Putin ist nicht Gorbatschow“

Die Frage, ob neue Raketen mehr Sicherheit bringen, habe schon einmal das Land bewegt, sagte Fehrs unter Anspielung auf den Nato-Doppelbeschluss. „Doch damals wurde heftig gestritten, in Parlamenten und in den Medien, auch innerhalb unserer Kirche“, sagte sie, räumte aber zugleich Unterschiede zur damaligen Situation ein: „Die Situation hat sich auch für uns hier in Europa empfindlich verändert. Es geht nicht um Atomraketen. Und so bitter es ist: Putin ist nicht Gorbatschow“, sagte Fehrs.

Russland führe einen aggressiven und brutalen Krieg. Dennoch müsse gesehen werden, „wie wir auf den Pfad zum Frieden zurückkehren, zumindest zu Verhandlungen“, sagte Fehrs. Friedens- und sicherheitsethische Überlegungen müssen engstens zusammengehen. Der „für erledigt gehaltene Gedanke der Abschreckung ist als Option offenbar nicht erledigt“, sagte die Theologin.

„Eine Stationierung von Mittelstreckenraketen wäre aus friedensethischer Sicht nur dann verantwortbar, wenn sie zur Verhinderung von Gewalt und damit zur Friedensförderung beiträgt“, ergänzte sie. Die Ankündigung einer solchen Stationierung könne „nur triftig sein, wenn damit zugleich signalisiert wird, ernsthaft in Abrüstungs- oder Rüstungskontrollverhandlungen und so in eine neue Sicherheitsordnung einsteigen zu wollen“, sagte Fehrs.