Berlin (epd). Carlos ist schon zum wiederholten Mal hier. Mit seinem weißen Sweatshirt, schwarzen Shorts und einem Rollkoffer sieht der 41-Jährige eher wie ein Tourist aus, der sich in der Adresse geirrt hat. Bei strahlendem Sonnenschein steht Carlos am frühen Vormittag auf dem Gelände der Berliner Stadtmission unweit des Berliner Hauptbahnhofs. Vor der Wäscherei für obdachlose Menschen (WoM) haben sich schon zwei Schlangen gebildet: Frauen stehen links, Männer rechts vor dem niedrigen Flachbau. Seit einigen Monaten bietet die Stadtmission diesen Service.
„Annehmen, sortieren, verteilen, waschen, trocknen, danach kurz zusammenlegen“: Jürgen Bartz ist der Chef der Wäscherei. In dem ehemaligen Lagerraum für die Gärtnerei dirigiert der 58-Jährige vier kleine und eine große Waschmaschine sowie zwei Trockner. Ein Waschgang dauert 47 Minuten, die Trocknung bis zu 30 Minuten. Das macht fünf bis sieben Waschgänge pro Tag und Maschine, rechnet Bartz vor. Neben Waschmittel kommt Hygienereiniger oder Fleckenspray zum Einsatz, bei Bedarf auch flüssiges Desinfektionsmittel.
„Das ist was fürs Herz“
Bartz hat früher als Haushandwerker eines Hotels gearbeitet. „Was mir am meisten gefällt ist, dass wir jeden Tag mit vielen, vielen Menschen zu tun haben. Das ist was fürs Herz“, sagt er und lacht. Unterstützt wird Bartz von freiwilligen Helfern, zu erkennen an ihren hellgrünen „Volunteer“-Westen. Sie helfen unter anderem beim Sortieren der schmutzigen Kleider in Waschsäcke, damit nichts vertauscht wird. Andere führen auf einem Tablet die Anmeldeliste.
Carlos ist jetzt an der Reihe. Er öffnet seinen prall gefüllten Rollkoffer und die Wäsche wandert in die Hände von Bartz und seinen Helfern. Die vergangenen zwei Wochen habe er in einer Notübernachtung in der Frankfurter Allee im Stadtteil Friedrichshain geschlafen, erzählt der aus den USA stammende Mann. Ursprünglich sei er wegen seiner Freundin nach Berlin gekommen. Jetzt sind sie getrennt und er ist auf Unterstützung durch seine Eltern angewiesen. Er will wieder in seine Heimat zurückkehren. Dann erzählt er noch, dass er demnächst auf Englisch ein Buch mit dem Titel „Armut bekämpfen“ veröffentlichen werde. Er warte noch auf Antwort und auf einen Vorschuss des Verlages.
Die zwei Euro pro Waschgang und Trocknen können sich aber alle leisten. „Es ist wichtig, dass jeder sieht, dass es Kosten verursacht“, sagt Jeanette Engelke vom Inklusionsunternehmen „Komm & Sieh“ der Stadtmission. Gesponsert wurden zu Beginn die Maschinen - für die laufenden Kosten für Wasser, Strom und Waschmittel werden noch Unterstützer gesucht.
„Wer Wäsche wäscht, ist auf einem guten Weg“
Die Wäscherei werde dankbar angenommen, sagte Engelke: „Die, die die Wäsche waschen lassen, sind auf einem guten Weg.“ Die Stadtmission wirbt auf Flyern in sieben Sprachen für ihr Angebot.
Während sich die Trommeln drehen, bietet eine Seelsorgerin Gespräche an. Es gehe darum, obdachlosen Menschen „Wege aufzuzeigen, wie sie ihre Lebenslage verbessern können“, sagt Stadtmissionsdirektor Christian Ceconi. Dafür bietet das weite Areal der Stadtmission an der Lehrter Straße viele stille Ecken.
Direkt neben der Wäscherei befindet sich die Kleiderkammer der Berliner Stadtmission. Bis zu 180 Gäste werden hier pro Tag gezählt, berichtet Engelke. Aktuell sind viele Regale leer geräumt. Benötigt werden gerade etwa Turnschuhe in allen Größen und Schlafsäcke, im Sommer noch öfter als im Winter, heißt es.
Die Freiwilligen achten darauf, dass es zu keinen Hamstereien kommt. Die Regeln sind streng: Beispielsweise gibt es ein Paar Schuhe nur alle 14 Tage, einen Schlafsack einmal im Monat. Die Kleiderkammer ist angewiesen auf Sachspenden.
Auch wer auf seine gewaschene Wäsche wartet, wird vorübergehend aus der Kleiderkammer eingekleidet. Dafür stehen eine improvisierte Umkleidekabine und die Helfer bereit. Sie bringen etwas in der passenden Größe. Carlos nutzt die Wartezeit für einen Spaziergang. Er fühlt sich sichtbar wohler abseits der vielen wartenden Menschen vor dem Gebäude der Stadtmission.