Garmisch-Partenkirchen (epd). Auf dem höchsten Berg Deutschlands dreht sich alles ums ewige Eis: Mit der Gletscherbahn fährt man hinauf zum Zugspitz-Gipfel, an dessen Hänge sich im Winter das Gletscher-Skigebiet schmiegt. Zur Brotzeit lockt das Gletscherrestaurant, den Sprizz nimmt man im verglasten „Gletschergarten“-Pavillon.
Um den Gletscher dreht sich auch das ökumenische Requiem, zu dem die Kirchen im Werdenfelser Land am 25. Juli eingeladen haben. Denn: Der Gletscher stirbt. Trotz schlechter Sicht und Graupelschauern hat sich eine kleine Gemeinde in der Kapelle Mariä Heimsuchung eingefunden, um dem nördlichen Schneeferner die letzte Ehre zu erweisen. Auch er wird, wie schon der südliche Schneeferner im Jahr 2022, seinen Status als Gletscher verlieren. Wissenschaftler rechnen bis 2030 mit seinem Ende - in zu vielen Rekordsommern geschmolzen und versickert.
„Mancher fragt sich: Wie soll es weitergehen?“
„In der Schule haben wir gelernt: Der Gletscher auf der Zugspitze ist ewiges Eis!“, sagt Barbara aus dem Talort Grainau, die mit ihrer Schwester Ingrid extra zur Trauerfeier für den Gletscher gekommen ist. Dass das „ewige Eis“ schon bald verloren sei, mache sie betroffen, berichtet die Seniorin. Auch eine Urlauberin, die spontan zur Andacht geblieben ist, findet die Situation beängstigend: „Da muss man gar nicht zur 'Letzten Generation' gehören“, sagt sie.
Solche Erschütterungen spürt die Garmischer Pfarrerin Uli Wilhelm immer häufiger. Der Klimawandel sei zunehmend auch ein seelsorgerliches Thema. Viele Menschen am Fuße der Zugspitze seien schockiert, dass auf „ihrem“ Berg nur noch Geröll statt Schnee und Eis zu finden sei. „Mancher fragt sich: Wie soll es weitergehen?“, sagt die Theologin bei der Andacht.
Langsam und getragen klingt die Bombo-Trommel über die Terrasse des Gletscherrestaurants. „Wenn doch mein Volk gehorsam wäre!“, singen die drei Sängerinnen - es ist eine dissonante Klage aus dem biblischen Psalm 81, den Kirchenmusikdirektor Wilko Ossoba-Lochner in seine „Elegie auf das Ende des Ewigen Eises“ gesetzt hat, die zum Requiem uraufgeführt wird. „Die Menschen sind dabei, unendlich viel kaputtzumachen“, sagt der Weilheimer Dekan Jörg Hammerbacher in seinem Grußwort. Das nahe Ende des nördlichen Ferners sei „ein stummer Schrei“ umzukehren, menschliches Verhalten zu ändern. Wolfgang Neuner, Vorstand der Sektion München im Deutschen Alpenverein, bezeichnet den Tod der beiden Zugspitzferner als „Bilanz und Spiegel der menschlichen Fehler und Versäumnisse“.
„Gestorben in den 2020er Jahren an der Erderwärmung.“
Trotz aller Sorge und Endgültigkeit wollen die Seelsorger bei dem ungewöhnlichen Requiem in 2.650 Meter Höhe auch Hoffnung wecken. Der katholische Pastoralreferent Florian Hammerl ruft dazu auf, den Klimawandel gemeinsam anzupacken. „Hier oben wird Sand aus der Sahara angeweht, die Asche vom brennenden Urwald in Brasilien, Ruß und Staub aus den Städten, kurz: der Dreck der ganzen Welt.“ Der Gletscher, die Menschen, das Klima, Pflanzen, Tiere - „wir gehören und hängen alle zusammen“, so Hammerl. „Jeder Einzelne kann etwas tun“, bekräftigt Besucherin Barbara draußen am Fuße des nördlichen Ferners. Trotz der schmutzigen Schneereste und der zahlreichen Schmelzwasserrinnen hat sich das Eis ein geheimnisvolles blaues Leuchten bewahrt - es wirkt wie eine ferne Erinnerung an seine majestätischen Zeiten.
Die Marketingstrategen der Zugspitzregion werden sich dennoch bald etwas einfallen lassen müssen. In dürren Worten heißt es in dem aufklappbaren Sterbebildchen, das nach der Feier ausliegt: „In großer Trauer um den Zugspitz-Gletscher, geboren 10.000 v.Chr., gestorben in den 2020er Jahren an der Erderwärmung.“ Als Gütesiegel für Touristen aus aller Welt hat der Gletscher ausgedient.