Frankfurt a.M., Brasília (epd). Bei dem Sturm auf Regierungsgebäude in Brasilien wurden Experten zufolge wertvolle Kunstgegenstände zerstört. So sei ein Gemälde des modernistischen Malers Emiliano Di Cavalcanti mit einem Schätzwert von etwa acht Millionen Reais (rund 1,4 Millionen Euro) im Präsidentenpalast beschädigt worden, erklärte der Leiter der dortigen Kunstsammlung, Rogério Carvalho, am 9. Januar. Auch eine Uhr aus dem 17. Jahrhundert sowie weitere Bilder und Skulpturen seien den Vandalen zum Opfer gefallen. „Der Wert des Zerstörten ist aufgrund der Geschichte, die dahintersteht, unschätzbar“.

Anhänger des früheren Präsidenten Jair Bolsonaro, die seine Abwahl im Oktober nicht anerkennen, hatten am Sonntag zu Hunderten Regierungsgebäude gestürmt und für mehrere Stunden den Nationalkongress, den Präsidentenpalast und den Obersten Gerichtshof unter ihre Kontrolle gebracht. Auch mindestens zwölf Journalistinnen und Journalisten wurden angegriffen. Die Behörden nahmen etwa 300 Menschen im Anschluss an die Stürmung fest. Zusätzlich inhaftierten sie laut dem Justizministerium 1.200 Bolsonaro-Anhänger bei der Räumung eines Protestcamps in der Hauptstadt Brasília.

„Genug sich, sich zu radikalisieren“

Nach Einschätzung der Verteidigungs-Expertin Adriana Marques kam der Angriff der Bolsonaro-Anhänger nicht überraschend. „Die ganze Aktion war total vorhersehbar“, sagte die Professorin an der föderalen Universität von Rio de Janeiro dem Evangelischen Pressdienst (epd). Seit der Stichwahl für das Präsidentenamt Ende Oktober habe es an verschiedenen Orten Brasiliens Camps von Bolsonaro-Anhängern gegeben, die das Wahlergebnis nicht anerkennen. „Sie hatten genug Zeit, sich vorzubereiten und zu radikalisieren“, erläuterte Marques. „Es war auch schon lange klar, dass darunter gewaltbereite Menschen sind.“ Nach Recherchen des unabhängigen Nachrichtenportals Agência Pública organisierten sich die Angreifer vor allem über die sozialen Netzwerke.

Der rechtsextreme Bolsonaro unterlag bei der Stichwahl Ende Oktober dem linksgerichteten Luiz Inácio Lula da Silva, der seit dem 1. Januar regiert. Bolsonaro hat die Niederlage nie offiziell anerkannt. Seine Anhänger forderten immer wieder eine Militärintervention. Bolsonaro selbst reiste vor der Amtseinführung von Lula in die USA. Seit gestern soll er sich aufgrund von Magenproblemen im Krankenhaus befinden.

„Der Angriff auf die Regierungsgebäude wurde unter den Augen aller geplant“, sagte Marques. So sei an Heiligabend ein Mann aus dem Umfeld der Protestierenden festgenommen worden, der in der Nähe des Flughafens von Brasília eine Bombe in einem Lieferwagen zünden wollte. Bereits am Samstagabend seien die ersten Busse mit radikalen Demonstrierenden in der Hauptstadt angekommen. Die Protestcamps hätten aus ihrer Sicht direkt nach Lulas Amtseinführung geräumt werden müssen.

Dies geschah meist erst nach dem Sturm. Derweil gab es in verschiedenen Städten Demonstrationen - gegen und für den Angriff, der von vielen als Putschversuch verstanden wurde. „Wie es in den nächsten Tagen weitergeht ist nicht vorhersehbar“, sagte Marques. Die Sicherheitskräfte werden ihrer Einschätzung nach härter durchgreifen. Das reiche aber nicht. „Die Verantwortlichen müssen jetzt für diesen Angriff auf die Demokratie bestraft werden.“