Berlin (epd). Deutsche Hilfsorganisationen wollen der afghanischen Bevölkerung auch inmitten des Abzugs internationaler Truppen weiter zur Seite stehen - und pochen auf Sicherheitsgarantien. Der begonnene Abzug verändere die militärpolitische Lage in Afghanistan grundlegend, die Not der Bevölkerung bleibe indes weiterhin groß, betonte ein Bündnis aus sieben Organisationen am 6. Mai in einer gemeinsamen Erklärung. Derzeit sei jeder dritte Einwohner Afghanistans auf humanitäre Hilfe angewiesen.

„Um die Hilfe vor Ort zu gewährleisten, bleiben die deutschen Hilfsorganisationen deshalb im Land“, erklärten Johanniter, CARE, Diakonie Katastrophenhilfe, Help - Hilfe zur Selbsthilfe, Islamic Relief, die Welthungerhilfe und World Vision. In den vergangenen Jahren seien viele Erfolge erzielt und viel humanitäre Hilfe geleistet worden. „Diesen Weg wollen die Organisationen in den kommenden Jahren weitergehen“, heißt es in der gemeinsamen Standortbestimmung. „Deshalb sichern sie zu, solange in Afghanistan zu bleiben, wie ihre Arbeit benötigt wird.“ Dafür unabdingbar sei der ungehinderte Zugang zu den Menschen in den Regionen, der unter Sicherheitsgarantien aller Seiten gewährleistet sein müsse.

Die Organisationen fordern die weitere Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, um die humanitären Krisen in Afghanistan lindern zu helfen. Elf Millionen Menschen litten Hunger, mehr als ein Drittel der Bevölkerung. 30 Prozent der Afghaninnen und Afghanen hätten keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, Kinder-, Jugend- und Frauenrechte müssten gestärkt werden ebenso wie Ausbildungs- und Arbeitsperspektiven.

Finanzielle Hilfe seit Jahren rückläufig

Human Rights Watch verwies derweil darauf, dass die finanzielle Hilfe aus dem Ausland bereits in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen sei. Das führe dazu, dass vor allem Frauen und Mädchen immer weniger gut medizinisch versorgt seien, erklärte die Menschenrechtsorganisation in New York. Nach dem Abzug der Truppen werde sich die Lage vermutlich weiter verschlechtern. Denn die internationalen Geber warteten derzeit ab, ob die Taliban ihre Kontrolle im Land ausbauen, sagte Frauenrechtsexpertin Heather Barr. „Aber das ist keine Ausrede, um die Mittel für die Grundversorgung zu kürzen, die Hilfsorganisationen auch in unsicheren und Taliban-kontrollierten Gebieten leisten.“

Ein von Human Rights Watch vorgelegter Bericht mit dem Titel „Ich hätte gerne vier Kinder, wenn wir überleben“ dokumentiert die Schwierigkeiten für Frauen und Mädchen, an medizinische Hilfe zu gelangen und die Verschlechterung des Gesundheitssystems aufgrund rückgängiger Mittel. Schon jetzt seien Kliniken für die Menschen in vielen Regionen nur schwer zu erreichen. „Frauen kommen kaum an die fundamentalsten Informationen über Gesundheit und Familienplanung“, heißt es in dem Bericht. Sie hätten oft mehr Kinder als sie möchten und riskierten gefährliche Schwangerschaften. Die Sterblichkeit von Frauen und Kindern sei sehr hoch. Laut den Vereinten Nationen sterben 638 von 100.000 Frauen bei oder an den Folgen einer Schwangerschaft oder Geburt. Und 60 von 1.000 Kindern sterben vor ihrem fünften Geburtstag.