Hannover (epd). Die US-amerikanische Bischöfin Mariann Edgar Budde (65) hat mit Blick auf die aktuelle Politik in den USA zur Geduld ermutigt. „Wir brauchen eine breite Koalition von Menschen, die sich einig sind, dass wir eine neue Vision für unser Land brauchen, die auf der Menschenwürde und gemeinsamen Werten beruht“, sagte die Bischöfin der episkopalen Diözese von Washington, D.C. am Samstag auf dem 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover dem Evangelischen Pressedienst (epd).
epd: Frau Bischöfin Budde, Sie wurden auf dem evangelischen Kirchentag in Hannover für eine Bibelauslegung wie eine Heldin empfangen. Was macht das mit Ihnen?
Bischöfin Mariann Edgar Budde: Nun, es ist sehr bewegend. Ich liebe es, die Gesichter von so vielen Menschen zu sehen. Aber ich bin auch ein bisschen überrascht. Ich bin sehr glücklich, hier zu sein.
epd: Sie haben einen Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump den US-Präsidenten aufgefordert, Barmherzigkeit mit denen zu zeigen, die jetzt Angst haben. Hat sich Ihr Leben nach Ihrer legendären Predigt im Januar verändert?
Budde: Ja! Ich glaube nicht, dass ich sonst hier sein würde. Es gibt mir die Möglichkeit, zu einem breiten Publikum zu sprechen. Ich bin froh, dass ich die Botschaft der Liebe und eine Perspektive des Christentums verbreiten kann, die nicht immer viel Aufmerksamkeit erhält, zumindest in unserem Land. Die Resonanz war so positiv, dass ich weitermachen möchte, denn wir brauchen diese Energie. Wir brauchen diesen Geist, um Menschen zu inspirieren. Ich denke, das ist eine gute Sache.
epd: US-Präsident Donald Trump ist nun seit mehr als drei Monaten im Amt. Viele seiner Entscheidungen sind schwer nachzuvollziehen. Wir in Europa sind überrascht, dass es in den USA so wenig Widerstand gegen ihn gibt. Warum ist das so?
Budde: Ich bin keine Expertin für Politik und soziale Bewegungen, aber ich würde sagen, dass dies eine ganz andere Zeit ist, in der wir leben. Auf jeden Fall ist das so im Vergleich zur ersten Trump-Regierung. Eine Menge Leute unterstützen den Präsidenten. Das ist eine echte Veränderung in unserem Land. Die Dinge passieren so schnell und so viele Dinge werden gleichzeitig abgebaut oder angegriffen, dass es verwirrend ist. Deshalb braucht es Zeit. Es passiert, aber die Menschen brauchen Zeit, um sich zu organisieren und ihren Weg zu finden.
epd: Was passiert im Moment?
Budde: Momentan arbeiten die Menschen sehr hart, um bestimmte Dinge zu schützen, um die Schulen zu schützen, um so viele Migranten wie möglich zu schützen, um mit den Tausenden von Menschen umzugehen, die plötzlich ihre Arbeit verloren haben. Es ist also eine ziemlich traumatische Zeit. Wir brauchen eine breite Koalition von Menschen, die sich einig sind, dass wir eine neue Vision für unser Land brauchen, die auf der Menschenwürde und gemeinsamen Werten beruht. Ich bitte die Menschen nur um Geduld. Wir sind alle noch ein wenig verblüfft.
epd: Was empfinden Sie zurzeit?
Budde: Das ist eine sehr fassungslose Situation. Und es wird dauern. Trump hat alle Ebenen der Macht und eine Menge Unterstützung. Es ist also nicht so einfach, einfach auf die Straße zu gehen und es zu stoppen. Es ist ein bisschen komplizierter.
epd: Trump beruft sich immer wieder auf das Christentum. Was halten Sie davon?
Budde: Jesus sagte, an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Wir müssen ihn nicht danach beurteilen, wie er betet, sondern danach, wie er handelt.
epd: Sie haben ein Buch über Mut geschrieben, das nun auch auf Deutsch erschienen ist. Was bedeutet Mut für Sie in der heutigen Zeit?
Budde: Mut ist, wie wir auf Situationen reagieren, wenn wir gebeten werden, etwas sehr Schwieriges zu tun oder etwas, das wir noch nie zuvor getan haben und das ein gewisses Risiko oder eine Gefahr birgt. Manchmal ist es eine sehr private Erfahrung. Die Probleme, mit denen wir alle als Menschheit konfrontiert sind, erfordern unsere Zusammenarbeit. Das erfordert eine andere Art von Mut. Wir müssen zusammenarbeiten. Es erfordert eine Menge Demut. Aber letzten Endes muss jeder von uns entscheiden, ob er ein Teil davon sein will.
epd: In Europa und auch in den USA verliert das Christentum seine Anziehungskraft. Viele Leute treten aus den Kirchen aus. Was sind die Gründe?
Budde: Die Gründe sind vielfältig, vermute ich. Ich versuche, die Leute zu fragen, warum sie gehen. Ich möchte, dass die Kirche gedeiht und wächst, aber vor allem möchte ich, dass sie hilfreich ist. Wenn sie also nicht hilfreich ist, wenn die Leute das, was sie brauchen, woanders finden, dann kann ich das nicht kritisieren. Ich möchte, dass meine Kinder und Enkelkinder Ermutigung, Kraft und Nahrung finden.
epd: Und wenn sie das nicht in der Kirche finden?
Budde: Dann muss sie sich ändern. Gleichzeitig glaube ich, dass der Geist Gottes in der Welt lebendig ist. Unsere Aufgabe ist es, Wege zu finden, mit diesem Geist in Beziehung zu treten.