

Düsseldorf, Bielefeld (epd). Kirchlich getragene Kindertagesstätten bieten Betreuung und Bildung, aber auch religiöse Orientierung. Der Kirche sind sie ebenso lieb wie teuer. So musste etwa der Evangelische Kirchenkreis Bielefeld zu den bisherigen Kosten in den letzten vier Jahren außerplanmäßig rund 2,3 Millionen Euro zuschießen, weil die vom Land Nordrhein-Westfalen (NRW) pro Kind gezahlten Pauschalen erst nach 18 Monaten an tatsächliche Kostenerhöhungen angepasst werden. Dieser Betrag wird nicht erstattet. Die Finanzierung durch das Land sei „insgesamt nicht auskömmlich“, sagt die Geschäftsführerin des kreiskirchlichen Trägerverbundes, Melanie Hoffmann.
Landauf, landab warten kirchliche sowie andere freie Träger auf eine Novelle des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz), das die Finanzierung der Kitas regelt. Eine neue Regelung muss zum Kindergartenjahr 2026/27 in Kraft treten, doch noch liegt im Düsseldorfer Landtag nicht mal ein Referentenentwurf vor, wie aus Fachkreisen zu erfahren ist.
„Wir hören im Moment keine Signale, was die Landesregierung konkret plant“, sagt Christian Heine-Göttelmann, Vorstand der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, bedauernd. Der Landesverband vertritt die 1.750 evangelischen Kindertagesstätten in NRW in Trägerschaft der verfassten Kirche und diakonischer Einrichtungen. Insgesamt gibt es im bevölkerungsreichsten Bundesland rund 11.000 Kitas.
Heine-Göttelmann fordert, die Kindpauschalen künftig sofort oder zumindest zeitnah an die Kostenentwicklung anzupassen. Zudem sollten die Trägeranteile größtenteils oder möglichst komplett wegfallen. Nötig sei ferner ein Aufschlag auf die Kindpauschalen von mindestens 25 Prozent, damit die Sachkosten auskömmlich finanziert werden könnten. Vergangenes Jahr seien real nur vier Prozent der Kindpauschalen für Sachkosten übrig geblieben. Hoffmann ergänzt, mit dem Aufschlag müssten auch die Instandhaltung von Gebäuden und die Kosten der Digitalisierung abgedeckt werden.
Viele Kita-Träger planen laut Heine-Göttelmann jedes Jahr mit hochdefizitären Haushalten, Rücklagen seien vielerorts nahezu aufgebraucht. Diese Träger setzten sich daher mit einer möglichen Aufgabe von Einrichtungen oder einer Reduzierung des Angebots auseinander. So kündigte der Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein im Februar an, kommendes Jahr 11 seiner 56 Kitas abzugeben, weil die Belastung durch den kirchlichen Trägeranteil und die Verluste aus dem Kita-Betrieb nicht mehr zu stemmen seien.
So weit sei es in Bielefeld noch nicht, betont Geschäftsführerin Hoffmann. Sie ist für 28 Einrichtungen mit rund 2.000 Kindern zuständig. Für eine gewisse Entlastung sorgt, dass die Stadt Bielefeld die Trägeranteile der Anbieter freiwillig subventioniert. Müsste die Kirche ihren 10,3-Prozent-Anteil voll übernehmen, wären dies im laufenden Kindergartenjahr rund 3,2 Millionen Euro. „Das wäre utopisch“, sagt Hoffmann. So bleiben noch rund 565.000 Euro zu zahlen. Das sei „immer noch viel dafür, dass wir hier eine gesetzliche Aufgabe übernehmen“.
Derzeit werde mit der Stadt über eine Komplett-Übernahme des Trägeranteils verhandelt, erläutert Hoffmann. Gebe ein Träger eine Kita auf, sei die Kommune in der Pflicht - das käme sie deutlich teurer. Von ihrem Selbstverständnis her wolle die Kirche aber nicht auf Kindergärten verzichten. Kitas seien eine große Chance für die Gemeinden, jüngere Generationen zu erreichen. Sie seien auch wichtig für die Integration der Kinder aus Migrantenfamilien.
Die Liquiditätslücke von 2,3 Millionen Euro durch die späte Anpassung der Kindpauschalen macht es auch in Bielefeld schwer. Vor allem 2023, als die hohe Inflation nach Beginn des Ukraine-Krieges alles verteuerte, aber die Pauschale gleich blieb, habe man die Risikorücklagen massiv angreifen müssen, erklärt die Referatsleiterin. Ein kleiner Puffer sei noch vorhanden, mit dem anstehende Gehaltssteigerungen für die rund 600 Mitarbeitenden aufgefangen werden könnten. Die konfessionellen Träger bezahlen ihre Angestellten nach Tarifverträgen und haben damit höhere Personalkosten als andere Anbieter.
Heine-Göttelmann ärgert sich über „Ratschläge aus der Politik, die Kita-Träger sollten nicht immer nur mehr Geld fordern, sondern kostengünstigere Personalkonzepte vorlegen“. Das Land hatte die Personalverordnung gelockert, damit auch anders qualifizierte Kräfte in Kitas beschäftigt werden können. Die evangelischen Kitas wollen aber nicht auf personelle Mindeststandards heruntergehen, sondern „die Qualität erhalten“, wie Hoffmann sagt. „Es geht ja nicht nur um Betreuung, sondern um Bildung.“ Wenn die Politik das wolle, müssten auch die Rahmenbedingungen stimmen.
Falls in der KiBiz-Novelle die Trägeranteile nicht reduziert werden, die Sachkosten nicht steigen und die Kindpauschale nicht wenigstens alle sechs Monate fortgeschrieben wird, befürchten Hoffmann und Heine-Göttelmann eine Reduzierung der Trägervielfalt und der Wahlmöglichkeiten für Familien. „Auch wir müssten dann in ein paar Jahren überlegen, unsere personelle Ausstattung zu senken, Öffnungszeiten zu kürzen oder im schlimmsten Fall einzelne Kitas zu schließen“, sagt Hoffmann.
Ein größerer Rückzug evangelischer Kita-Träger werde aber nur erfolgen, wenn ihnen durch die Finanznot keine Wahl mehr bleibe, heißt es bei der Diakonie RWL. Dieser Punkt könnte nicht mehr weit entfernt sein, befürchtet Heine-Göttelmann.