

Berlin (epd). Im Berliner Stadtteil Neukölln und in Hamburg-Veddel werden im Zuge eines Modellprojekts die Effekte einer interprofessionellen Primärversorgung getestet. Die Initiative „Navigation“ soll sich um die Gesundheit der Schwächsten kümmern, heißt es in einer Mitteilung der AOK Nordost. Navigation steht für „Nachhaltig versorgt im gemeindenahen Gesundheitszentrum - Gesundheit im Zentrum.“
In der Poliklinik Hamburg-Veddel wird das Modell zur gerechteren ambulanten Versorgung ebenfalls getestet. Die hausärztliche Versorgung in der Poliklinik werde durch pflegerische, soziale und psychologische Leistungen ergänzt und trage damit den unterschiedlichen Bedürfnissen einer diversen Gesellschaft stärker Rechnung, hieß es.
Zum Hintergrund des neuen Ansatzes heißt es, viele Gesundheits- und Vorsorgeangebote kämen oft nicht dort an, wo sie am dringendsten benötigt würden: bei den besonders vulnerablen Gruppen. Das solle nun im Testlauf durch die AOK und das Gesundheitszentrum geändert werden, hieß es.
Anfang April wurden den Angaben nach die ersten Patientinnen und Patienten in das Projekt eingeschrieben. Navigation setzt dabei auf die Primärversorgung durch ein interprofessionelles Team. Zu den besonders vulnerablen Gruppen zählen Menschen, bei denen körperliche und psychische Beschwerden mit schwierigen sozialen Umständen einhergehen. Ein Teil von ihnen verfügt oft nur über eine geringe Gesundheitskompetenz.
Im Rollbergkiez in Neukölln, wo das GeKo - Stadtteilzentrum Neukölln seinen Standort hat, leben viele solcher Menschen. Mehr als die Hälfte der Bewohner im Kiez sind bei der AOK Nordost versichert. Ein größerer Teil von ihnen ist entweder pflegebedürftig oder sozial benachteiligt oder beides. Zudem leiden überdurchschnittlich viele bei der AOK Nordost versicherte Rollbergkiez-Bewohner an chronischen Erkrankungen wie Ernährungs- und Stoffwechselerkrankungen, Atemwegserkrankungen und Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems.
„Gerade diese Menschen erreichen wir im Moment noch besonders schwer“, sagt Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost. „Wir können gute Gesundheits- und Vorsorgeangebote machen, aber die Menschen müssen sie auch aktiv in Anspruch nehmen. Sie müssen anrufen, Termine vereinbaren, hingehen. Und das ist für viele schon die erste Hürde.“
Teichert sieht deshalb einen wichtigen Hebel in einem aufsuchenden Ansatz, der bei der neuen Initiative eine zentrale Rolle spiele. Speziell ausgebildete Pflegefachkräfte, sogenannte Community Health Nurses, sind in dem Projekt nicht nur Teil des interprofessionellen Teams: Sie haben die klinische Leitung und zentrale Steuerungsfunktion. „Darin unterscheidet sich das Projekt von anderen Primärversorgungsansätzen, wo diese Rolle beispielsweise von Hausärztinnen und -ärzten übernommen wird“, sagte Teichert.
„Gerade in einem Viertel wie dem Rollbergkiez mit seiner speziellen Bewohnerstruktur benötigen wir die Art der interprofessionellen Primärversorgung, die das GeKo-Stadtteilzentrum Neukölln mit den Community Health Nurses verfolgt“, betone die Kassenchefin. Sie suchten die Menschen in deren Lebensumfeld auf - ob zu Hause oder in den Straßen ihres Kiezes.
Kombiniert werde das mit einer hausärztlichen und psychologischen Versorgung sowie der Beratung durch Sozialarbeiterinnen und -arbeiter. Dadurch werde die individuelle Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten wird durchgehend berücksichtigt und gestärkt. Und: Durch den barrierefreien Zugang zu Versorgungsleistungen, sei es durch Unterstützung bei bürokratischen Hürden, Sprachmittlung oder Hausbesuchen, „wird eine breitere Patientengruppe erreicht, deren Versorgung bislang nicht ausreichend sichergestellt ist“.