

Darmstadt (epd). Gehbehinderte Menschen müssen mit der Nutzung eines Therapiedreirads den Nahbereich ihrer Wohnung eigenverantwortlich erschließen können. Nur weil mit dem Hilfsmittel weitere Strecken zurückgelegt werden können, als ein gesunder Mensch zu Fuß geht, und mit der Nutzung Risiken im Straßenverkehr nicht ausgeschlossen werden können, dürfe ein Therapiedreirad nicht verwehrt werden, entschied das Sozialgericht Darmstadt in einem am 31. März veröffentlichten Urteil.
Bei dem Kläger besteht ein sogenanntes genetisches Syndrom FOXP1. Die Genmutation führt unter anderem zu einer starken Gehbehinderung, Muskelschwäche und psychosozialen Beeinträchtigungen mit autistischen Zügen. Im Alter von 15 Jahren hatte er bei seiner Krankenkasse die Versorgung mit einem Therapiedreirad beantragt. Mit dem 8.323 Euro teuren Rad könne er den knapp einen Kilometer langen Schulweg selbstständig bewältigen und infolge der erhöhten Mobilität leichter Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen.
Die Krankenkasse lehnte die Versorgung mit dem Hilfsmittel ab. Wenn der Kläger das Therapiedreirad unbeaufsichtigt nutze, bestehe im Straßenverkehr behinderungsbedingt ein „nicht kalkulierbares Risiko der Eigen- und Fremdgefährdung“. Die Krankenkasse sei nicht dafür da, das Fahrradfahren zu ermöglichen.
Das Sozialgericht urteilte hingegen, indem der Kläger mit dem Hilfsmittel den Nahbereich seiner Wohnung erschließen könne, werde seine Behinderung mittelbar ausgeglichen. Die Ausweitung seines Mobilitätsradius über den eines gesunden Fußgängers hinaus stehe seinem Anspruch auf ein Therapierad stehe nicht entgegen.
Gefährdungen bei der Nutzung des Therapiedreirads im Straßenverkehr seien regelmäßig hinzunehmen. Im vorliegenden Fall habe der Sachverständige die Nutzung im verkehrsberuhigten Bereich für möglich gehalten. „Der Kläger hat einen Anspruch darauf, in die Lage versetzt zu werden, sich einen Freiraum nach seinen Möglichkeiten und Vorstellungen eigenverantwortlich zu erschließen“, heißt es in dem Urteil.
Az.: S 25 KR 51/23