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Bedingungen für Arbeitsmigranten: Licht und Schatten



Die Fleisch- und die Landwirtschaft haben in der Vergangenheit teilweise durch schlechte Arbeitsbedingungen von sich reden gemacht. Beim Umgang mit Erntehelfern hat eine Initiative immer noch viele Defizite nachgewiesen. In der Fleischbranche sehen Arbeitsmarktexperten eine positive Entwicklung.

Frankfurt a.M. (epd). Bei den Bedingungen, unter denen Menschen in der Fleischindustrie arbeiten, sieht eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung Verbesserungen. Hingegen hat die Initiative Faire Landarbeit bei Besuchen auf Erntefeldern im vergangenen Jahr zahlreiche Defizite beim Umgang mit Saisonarbeitern festgestellt.

In einigen Fällen zahlten die Feldarbeiter bis zu 800 Euro Miete für ein Bett in einem Mehrbettzimmer - eine „Wuchermiete“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der IG Bauen-Agrar-Umwelt, Harald Schaum, am 25. März. Die Initiative Faire Landarbeit ist ein Bündnis gewerkschaftsnaher Beratungsstellen, der Gewerkschaft IG BAU, kirchlicher Beratungsstellen sowie weiterer Organisationen.

Ausnutzung von Macht

Es seien Fälle bekannt, in denen Saisonarbeiter bis zu 50 Prozent des Lohns an den Arbeitgeber zurückzahlten, hieß es. Viele Beschäftigte lebten in Containern, oft reichten die sanitären Anlagen nicht aus. Die Initiative Faire Landarbeit fordere daher eine kostenlose Unterbringung der Saisonarbeiter. Bei bundesweit 40 Feldbesuchen hatte die Initiative nach eigenen Angaben etwa 3.100 Saisonarbeitskräfte befragt.

Bei den Besuchen hätten sie in den vergangenen zwei Jahren in vier Betrieben von Vorfällen sexualisierter Gewalt erfahren, erklärte die Autorin des Jahresberichts zur Saisonarbeit, Kateryna Danilova, bei einer Online-Pressekonferenz. Meist sei es dabei um die Ausnutzung einer Machtposition gegangen. Viele haben nach Gewerkschaftsangaben Angst, in Gerichtsverfahren verwickelt zu werden.

Laut Jahresbericht arbeiteten 2023 etwa 240.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland auf deutschen Feldern und ernteten beispielsweise Spargel, Äpfel oder Weintrauben. Die Menschen kommen demnach aus Rumänien, Polen und Bulgarien, aber auch aus der Ukraine, Usbekistan oder Indien. Es gebe „fragwürdige Vermittlungspraktiken“, bei denen die Menschen hohe Gebühren dafür zahlen müssten, „dass sie überhaupt zu uns kommen können“, sagte DGB-Bundesvorstandsmitglied Anja Piel.

Manche kehrten sogar verschuldet in ihr Heimatland zurück. Es komme auch zu falschen Versprechungen, etwa, dass es ein „Work and Travel“-Aufenthalt sei. Nicht alle geleisteten Arbeitsstunden würden aufgeschrieben und gezahlt, hieß es. Es gebe Fälle massiver Rechtsverletzungen. Eine Gruppe mongolischer Studierender sei beispielsweise direkt nach der Ankunft aufs Feld gebracht worden. Bei witterungsbedingten Arbeitsausfällen hätten Beschäftigte keinen Lohn mehr erhalten, aber weiter Miete gezahlt.

Verbot von Werkverträgen

Wissenschaftler des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Böckler-Stiftung sehen bei den Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischindustrie hingegen Verbesserungen. Das seit Anfang 2021 geltende Arbeitsschutzkontrollgesetz mit dem Verbot von Werkverträgen habe sich grundsätzlich bewährt, geht aus einer am 26. März veröffentlichten Studie hervor.

Die Autoren Serife Erol und Thorsten Schulten untersuchten den Angaben nach 14 Betriebe, darunter Schlachtereien und verarbeitende Betriebe, und führten 85 Interviews mit Betriebsräten, Mitgliedern des Managements, Gewerkschaften, Beratungsstellen und Kontrollbehörden.

Vor Einführung des Arbeitsschutzkontrollgesetzes seien rund 50 Prozent der Beschäftigten in den Schlachthöfen und Fleischfabriken sogenannte Werkvertragsarbeitnehmer gewesen, die über Subunternehmen beschäftigt waren. Mit den Corona-Ausbrüchen sei die Branche samt Arbeits- und Wohnverhältnissen von Arbeitsmigranten in die öffentliche Wahrnehmung gerückt, hieß es.

Immer noch Niedriglohnbranche

Als Folge des gesetzlichen Eingriffs seien dann nahezu alle ehemaligen Werkvertragsbeschäftigten von den Unternehmen übernommen worden, bilanziert die Erhebung. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sei in einem Jahr, von 2020 bis 2021, um 18 Prozent von 128.400 auf 151.500 Beschäftigte gestiegen, erklärte das WSI mit Verweis auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes.

Trotz der Verbesserungen kritisieren die WSI-Forscher, dass die Fleischindustrie weiterhin zu den ausgeprägten Niedriglohnbranchen zähle. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit erhielten im Jahr 2022 46,5 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten nur einen Niedriglohn, also einen Lohn unterhalb von zwei Dritteln des mittleren Lohns in Deutschland. Bei den ausländischen Beschäftigten war der Anteil der Niedriglöhner mit rund 55 Prozent noch höher.

Gabriele Fritz, Stefanie Walter