

Lengerich (epd). Peter Kossen sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), das Arbeitsschutzkontrollgesetz „hat nicht erkennbar zu einer veränderten Haltung gegenüber den Menschen geführt, die in der Fleischindustrie schwerste Arbeiten verrichten“. Die Unternehmen täten nur das, wozu das Gesetz sie zwinge, kritisierte er: „Das bedeutet: Festanstellung der Arbeitenden nur in Schlachtung und Zerlegung und sporadische Beseitigung der erbärmlichsten Wohnmängel, wenn die Öffentlichkeit hinschaut.“
Das Gesetz war im Jahr 2020 auf den Weg gebracht worden, als nach massenhaften Corona-Infektionen in Schlachthöfen und Zerlegebetrieben die oft schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen für die größtenteils aus Südosteuropa stammenden Arbeitsmigranten zutage traten. Seit dem 1. Januar 2021 sind Werkverträge verboten, Leiharbeit ist nur noch in Ausnahmen erlaubt. Ausgenommen ist das Fleischerhandwerk.
Laut Kossen ist die Dichte der großen deutschen Fleischbetriebe in Ostwestfalen, im Münsterland und im Oldenburger Land besonders hoch. Sie nutzten gesetzliche Schlupflöcher, um Arbeitsmigrantinnen und -migranten weiterhin „abzuzocken“. „In der Weiterverarbeitung ist Leiharbeit erlaubt bis zu einem Anteil von acht Prozent und mit einem bestehenden Tarifvertrag“, sagt der Lengericher Pfarrer. In der Würstchen-Herstellung habe das zu großangelegten Umgehungsversuchen geführt. „Manche Würstchen-Hersteller behaupten, dass sie kein Fleisch weiterverarbeiten“, berichtete Kossen, Mitautor des neuen Buches „Ist das System Tönnies passé?“.
Die gesetzlich festgeschriebenen Kontrollen hält er für wenig effektiv. So habe sich auch an der Wohnsituation der Arbeitsmigranten nichts verbessert. Da Menschen ohne Deutschkenntnisse und wenig Geld auf dem engen Wohnungsmarkt keine Chance hätten, sei die vom deutschen Arbeitgeber vermittelte „Bruchbude mit Wuchermiete oft das einzige 'Angebot', das sie bekommen“, beklagte der Pfarrer, der mit seinem gemeinnützigen Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ seit vielen Jahren Arbeitsmigranten rechtlichen Beistand leistet.
Bei gemeinsamen Razzien am 24. und 25. Oktober sind Nordrhein-Westfalen und die Niederlande gegen ausbeuterische Wohn- und Arbeitsverhältnisse in der Grenzregion vorgegangen. Bei der Kontrolle von 42 Wohnungen in fünf Immobilien im Kreis Borken war erstmals auch der rumänische Arbeitsschutz beteiligt, wie Heimat- und Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) am 26. Oktober in Düsseldorf mitteilte.
Entdeckt wurden bei den Kontrollen am 24. und 25. Oktober in Gronau und Südlohn rund 30 Brandschutzmängel, zum Teil eine starke Vermüllung der Unterkünfte mit Schimmelbildung, fehlende Stromversorgung, Überbelegung sowie Matratzenmieten zwischen 300 und 400 Euro. Leiharbeiter berichteten von noch ausstehenden Löhnen.