

Hannover (epd). Die Rentenversicherung muss Versicherte bei der Pflege von Angehörigen über die Vorteile eines Teilrentenbezugs aufklären. Ist die pflegende Person im Rentenalter und wurde sie vom Rentenversicherungsträger nicht über die Möglichkeit eines Teilrentenbezugs informiert, kann sie rückwirkend eine Teilrente einfordern, entschied das Sozialgericht Hannover in einem am 20. März bekanntgegebenen, rechtskräftigen Urteil. In diesem Fall können sie wegen ihrer Pflegetätigkeit weiter von den Pflichtbeiträgen der Pflegekasse zur Rentenversicherung profitieren und auf diese Weise eine höhere Altersrente erhalten.
Der Gesetzgeber hatte mit dem seit 2017 geltenden sogenannten Flexirentengesetz Anreize für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen wollen, über das Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten. So können sie neben einem Erwerbseinkommen auch eine Teilrente zwischen zehn und maximal 99,99 Prozent der eigentlichen Vollrente beziehen.
Für pflegende Angehörige im Rentenalter wirkt sich die Teilrente besonders günstig aus. Denn die Pflegekasse zahlt für die Pflege Rentenversicherungsbeiträge an die Rentenversicherung. Die Höhe richtet sich nach dem Pflegegrad der zu pflegenden Person und nach der von der Rentenversicherung festgelegten sogenannten Bezugsgröße, dem Durchschnittsentgelt eines Versicherten. Erhalten Versicherte eine volle Altersrente, wirken sich die Rentenbeiträge der Pflegekasse nicht mehr rentenerhöhend aus, bei einer Teilrente dagegen schon.
Im aktuell entschiedenen Fall bezog die Klägerin seit November 2018 eine volle Altersrente für langjährig Versicherte. Über die Möglichkeit und Vorteile einer Teilrente wurde sie von der Rentenversicherung nicht aktiv aufgeklärt. Als die Frau davon später erfuhr, beantragte sie rückwirkend eine Teilrente. Da sie einen Angehörigen pflege, wolle sie sicherstellen, dass sich die von der Pflegekasse gezahlten Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung bei ihr rentenerhöhend auswirken. Mit dem Bezug einer vollen Altersrente sei dies nicht mehr der Fall, so die Klägerin.
Das Sozialgericht gab der Klägerin recht. Bei der fortgesetzten Ausübung der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Angehörigen sei sie verpflichtet, die Versicherte aktiv auf die Teilrente und die damit verbundenen versicherungsrechtlichen Vorteile hinzuweisen. Da der Rentenversicherungsträger dies unterlassen habe, müsse er den Antrag der Klägerin auf Erhalt einer Teilrente rückwirkend neu bescheiden.
Az.: S 78 R 8/21