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Palliativarbeit

Klinikseelsorger: Sterbende nicht alleine lassen




Matthias Struth
epd-bild/Ludwig Krebbers
Menschen werden nach den Worten des Frankfurter Klinikseelsorgers Matthias Struth am Ende ihres Lebens fast nie alleine gelassen. Während der ersten Corona-Welle sei dies aber anders gewesen.

Frankfurt a.M. (epd). Der katholische Klinikseelsorger Matthias Struth will Menschen oft vorhandene Berührungsängste im Umgang mit Sterbenden nehmen. „Die meisten sterbenden Menschen sind unsagbar stark und können selbst in der Sterbesituation den Angehörigen noch einmal Kraft geben“, sagte der Pfarrer und Buchautor („Letzte Fragen. Was Sterbende wissen wollen“) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sterbende könnten meist deutlich machen, was sie brauchen.

Am wichtigsten sei, dass „Sterbende nicht alleingelassen werden“, fügte Struth hinzu, der seit zehn Jahren am Universitätsklinikum in Frankfurt am Main tätig ist. Viele seien in ihrer letzten Lebensphase dankbar für eine einfühlsame und offene Begegnung. Vielleicht könnten dabei auch „die Schätze des Lebens noch einmal gehoben und präsent gemacht werden“. Dabei gehe es um ein „absichtsloses Angebot“, das Aushalten der Situation, nicht immer um ein Miteinanderreden.

Ängste zulassen und nicht „wegreden“

Der Sterbeprozess verlaufe in der Regel sehr leise und unspektakulär, sagte der 1970 geborene Struth. Die großen Fragen nach einem Weiterleben nach dem Tod oder Gott könnten bei manchen Menschen in dieser Lebensphase jedoch durchaus eine Rolle spielen. Viele hätten die Frage „Gibt es da noch mehr?“ ihr Leben lang hintangestellt.

Es gebe auch Menschen, denen es wichtig ist, zu sagen, was sie noch belastet und quält. Diese Ängste müsse man zulassen und nicht aus guter Absicht wegreden. „Aber das ist wirklich ein sehr geringer Prozentsatz.“ Auch wer Dinge im Leben - verpasste Chancen, unerfüllte Träume oder ungelöste Konflikte - nicht bewältigen konnte, sei am Ende nicht selten dann doch versöhnt. Im Vordergrund stehe die Stille, „das Leben wird langsam weniger“.

Früher war der Tod öffentlicher

Aus seiner Sicht ist das Sterben zunehmend aus dem öffentlichen Raum herausgenommen worden, sagte Struth. Früher sei der Umgang mit dem Tod und dem Sterben stärker in eine Gemeinschaft eingebunden gewesen, etwa in einem Dorf: „Die Leute sind zu Sterbenden nach Hause gegangen. Der Tote wurde im Haus aufgebahrt.“ Dass Sterbende alleingelassen werden, habe er jedoch auch heute nie wirklich erlebt. Der engste Kreis der Familie oder professionelle Kräfte seien immer da.

Die Zeit der Corona-Pandemie bezeichnete Struth in diesem Zusammenhang als beispiellose Herausforderung: „In der ersten Welle sind die Menschen, die mit dem Virus infiziert waren, sehr einsam gestorben.“ Da sind Menschen ins Krankenhaus gekommen, die ihren Angehörigen entzogen wurden, so Struth: „Es war für die Angehörigen genauso schlimm wie für die Sterbenden selbst. Traumatisch war es auch für die Mitarbeiter auf der Station.“ Später, in der zweiten Welle, konnten sich Angehörige wieder verabschieden.

Die Schwerpunkte von Struths Arbeit sind die Seelsorge auf chirurgischen Intensivstationen und priesterliche Dienste im gesamten Klinikum. Der Ethikberater im Gesundheitswesen bildet zudem Ehrenamtliche für die Mitarbeit in der Seelsorge aus.

Stephan Cezanne


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