

München (epd). Ein Korb mit Baguettescheiben, ein Stapel Suppenteller, daneben eine Schachtel voller Löffel: Es ist 13 Uhr an diesem nasskalten Februartag und im Foodtruck der Korbinian-Küche am Münchner Hauptbahnhof machen sich Marlies Brunner und die Ehrenamtliche Brigitte Weiss bereit für ihre Gäste. 365 Tage im Jahr bewirtet die Caritas hier, auf einem Pflasterdreieck zwischen mehrspurigen Hauptstraßen und Trambahn-Haltestellen, mehr als 450 Menschen mit Eintopf, Brot und Kaffee.
„Der Bedarf an warmem Essen wird größer“, sagt Brunner, die die Korbinian-Küche seit fünf Jahren leitet. Zu den Gästen zählten nicht nur Obdachlose, sondern auch Beschäftigte im Niedriglohnsektor, Studierende mit Bafög und Rentner, denen das Geld hinten und vorne nicht reicht.
Die Korbinian-Küche ist in München nicht das einzige Angebot für Menschen mit knurrendem Magen und wenig Geld. Auch in der Benediktinerabtei St. Bonifaz bekommen wochentags jeweils rund 400 Menschen ein warmes Essen. Der orthodoxe Templerorden verköstigt von Montag bis Samstag im Schnitt 320 bis 400 Personen. Und etwa 350 Bedürftige sind jeden Samstag in der Mensa der Laienbewegung von Sant'Egidio zu Gast. All diese Angebote werden weitgehend durch Spenden finanziert.
Beim „Sozialen Mittagstisch“ der Stadt, den unter anderem die Altenservicezentren anbieten, essen wochentags fast 350 Seniorinnen und - weit weniger - Senioren kostenlos. Die Heilsarmee, das Frauenobdach Karla 51, die Matthäusdienste und eine Vielzahl evangelischer und katholischer Gemeinden verstärken das Versorgungsnetz mit punktuellen Angeboten. Und obendrein gibt die Münchner Tafel jede Woche Lebensmittel für rund 23.000 Menschen aus.
Die Armut in der Landeshauptstadt nehme zu, sagen alle unisono. „Wir stellen einen höheren Zulauf von Menschen in existenzieller Not fest, auch die sichtbare Verelendung nimmt zu“, sagt Andrea Betz, Vorstandssprecherin der Diakonie München und Oberbayern. Als Frühwarnsystem diene dafür die Bahnhofsmission am Gleis 11 des Münchner Hauptbahnhofs: Statt 110.000 Kontakte im Jahr 2018 habe man dort 2024 gut 300.000 Kontakte zu Hilfsbedürftigen gehabt.
Die Gründe dafür sind bekannt, aber nicht leicht zu ändern: Selbst Menschen mit fester Arbeit kommen im teuren München finanziell immer schwerer über die Runden. Wer dann noch überschuldet, psychisch krank, ohne soziales Netz oder wohnungslos ist, landet schnell bei der Tafel oder beim Mittagstisch.
Und auch wenn es davon so viele gibt, sei das Angebot doch nie genug, erklärt Ursula Kalb von Sant‘Egidio: „Die Menschen brauchen mehr als Essen, sie brauchen Begegnung, Hilfe und Beratung - gerade auch bei den komplizierten Anträgen für soziale Hilfeleistung.“ Denn wenn die bürokratischen Hürden zu hoch seien, „hören viele irgendwann auf, zu versuchen, dass sie zurechtkommen“, sagt Kalb.
Über das große Angebot für die Armen im reichen München ist Andrea Betz froh. „Aber für eine echte Armutsprävention braucht es Entscheidungen auf Bundesebene, zum Beispiel bei der Rente oder für Alleinerziehende.“ Auch Caritas-Direktor Hermann Sollfrank wünscht sich „einen präventiven statt einen reaktiven Sozialstaat“. Dafür benötige es eine bessere soziale Infrastruktur: „Jeder Armut sind gravierende private Schwierigkeiten vorgelagert“, sagt Sollfrank. Besser ausgestattete Erziehungs-, Schuldner- oder Wohnungslosenberatung könnten helfen, damit Menschen gar nicht erst in existenzielle Not rutschen.
Einstweilen hält die Korbinian-Küche am Hauptbahnhof die Stellung. Einen dringenden Wunsch hat dessen Team: Einen festen Container für die Essensausgabe und ein großes beheiztes Zelt für die Gäste. „Unser Truck kommt nächstes Jahr nicht mehr durch den TÜV“, sagt Marlies Brunner. Zudem gibt es in dem kleinen Gefährt weder Heizung im Winter noch Lüftung im Sommer. Auch einen würdigeren Raum zum Essen wünscht sie sich, statt der offenen Zelte, durch die der Wind pfeift. „Wir brauchen einfach eine Verstetigung für unser Angebot“, sagt Marlies Brunner.