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Sozialbeiträge

Pflegevollversicherung mit geringen Mehrkosten möglich




Im Altenpflegeheim An den Platanen - Mission Leben" in Neu-Isenburg
epd-bild/Tim Wegner
Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen müssen teilweise hohe Eigenanteile zahlen. Ein Gutachten zeigt nun: Für weniger als fünf Euro im Monat wäre es möglich, Eigenanteile komplett abzuschaffen - unter zwei Bedingungen.

Berlin (epd). Für nur wenig mehr Beiträge wäre einem Gutachten zufolge eine Pflegevollversicherung ohne Eigenanteile möglich. Voraussetzung seien die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung und gleichzeitig die Erhebung von Beiträgen auf alle Einkommensarten, heißt es in der Studie des Bündnisses für eine solidarische Pflegeversicherung, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorab vorlag.

Die Abschaffung der Eigenanteile durch eine Vollversicherung führe zu Mehrausgaben, heißt es in der Studie. Würden Privatversicherte in eine Bürgerversicherung einzahlen und seien Beiträge auf alle Einkommensarten zu entrichten, könne der Beitragssatz hingegen um 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozentpunkte sinken. Alle Maßnahmen zusammengenommen könnten mit nur geringen Beitragssteigerungen umgesetzt werden. Versicherte mit Einkünften bis zur aktuellen Beitragsbemessungsgrenze zahlten dann weniger als fünf Euro mehr im Monat. Den Berechnungen zufolge seien die Einnahmen einer Bürgervollversicherung in der Pflege auch langfristig ausreichend.

Bestehendes System ungerecht und nicht nachhaltig

Das bisherige Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung führt der Studie zufolge zu einer ungerechten Lastenverteilung und ist nicht nachhaltig. Wer heute in ein Pflegeheim ziehe, müsse im ersten Jahr durchschnittlich fast 3.000 Euro an Eigenanteil zahlen, teilte das Bündnis mit. Mehr als ein Drittel aller Pflegebedürftigen in Heimen sei auf Sozialhilfe angewiesen, Tendenz steigend. Pflegebedürftige seien infolgedessen besonders stark von Armut bedroht, denn sie können mit ihren durchschnittlichen Alterseinkünften diese finanzielle Belastung nicht schultern.

Erstellt hatte das Gutachten der Bremer Gesundheitsökonom Heinz Rothgang. Dem Bündnis für eine solidarische Pflegeversicherung gehören unter anderen der Paritätische Gesamtverband, der Sozialverband Deutschland, der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe, die Volkssolidarität, die Arbeiterwohlfahrt, der Arbeiter-Samariter-Bund, die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA Pflegeschutzbund) und mehrere Gewerkschaften an.

Finanzielle Grenzen für Pflegebedürftige

Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, sagte: „Jetzt haben wir schwarz auf weiß, wie wir die Pflegeversicherung aus der Krise holen und die Explosion der Pflegekosten für Betroffene stoppen.“ Eine neue Bundesregierung müsse sich eine solidarische Pflegeversicherung ganz nach vorn auf ihre To-do-Liste setzen.

Auch Manfred Stegger, Vorsitzender des BIVA-Pflegeschutzbunds, wies darauf hin, dass Betroffene im Fall des Eintretens einer Pflegebedürftigkeit schnell an absolute finanzielle Grenzen stießen. „In unserem Sozialstaat sollten die Menschen darauf vertrauen können, dass eine solidarische Versicherung, die das Wort ‘Pflege’ im Namen trägt, das reine Pflegerisiko auch voll abdeckt“, sagte Stegger. Sozialhilfe sei kein würdiger Ersatz für Ansprüche aus eigenen Beitragszahlungen.

Für die Gewerkschaft ver.die sagte Sylvia Bühler, Mitglied Bundesvorstand: „Pflegebedürftige Menschen erwarten zu Recht gut gepflegt zu werden. Um qualifizierte Pflegekräfte zu gewinnen und zu halten, braucht es gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne. Das hat seinen Preis. Damit sich alle eine gute Pflege leisten können, muss die nächste Bundesregierung die Pflegeversicherung gerecht aufstellen.“ Die Menschen im Land wollten eine solidarische Absicherung der Lebensrisiken, das zeige der Sozialstaatsradar 2025.

Nils Sandrisser