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"Erst geflüchtet, jetzt geschätzt"



Geflüchtete werden in Deutschland in vielen Firmen als Mitarbeitende geschätzt. Doch viele sind oft lange ohne Job. Eine Hamburger Flüchtlingshilfe will das ändern und hat dazu eine Infokampagne gestartet.

Hamburg (epd). Viktoriia Marchenko kommt aus Charkiw in der Ukraine. Als Russland ihr Heimatland überfiel, floh sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Ein paar Wochen wollten sie bleiben, das war vor 2,5 Jahren. „Meine Tochter war zwei Jahre alt als wir aus Charkiw fliehen mussten. Sie lebt länger in Hamburg, als in der Ukraine“, sagt sie. Wann sie wieder nach Hause können, weiß Viktoriia nicht.

Die 36-jährige Ukrainerin begann Deutsch zu lernen. Heute arbeitet sie als Buchhalterin in einer Hamburger Werbeagentur. Parallel macht sie eine Online-Fortbildung. Dass Viktoriia sich erfolgreich am deutschen Arbeitsmarkt etabliert hat, ist kein Einzelfall, sagt Helga Rodenbeck. Sie ist Flüchtlingsberaterin in der Kirchengemeinde Blankenese in Hamburg. „Die machen einen tollen Job.“

Ukrainer: Beschäftigungsquote von knapp 30 Prozent

Erst ein Teil der über eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer, die seit Kriegsbeginn nach Deutschland gekommen sind, hat Arbeit gefunden: Im Juli 2024 hatten rund 265.800 Flüchtlinge eine Beschäftigung. Rund 213.200 von ihnen waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt, weitere 52.600 übte eine geringfügige Beschäftigung aus. Die Beschäftigungsquote lag im Juli 2024 bei 29,4 Prozent. Zum Vergleich: Bei Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft betrug die Quote 53,2 Prozent.

„Ich habe hier viele Gespräche geführt mit Unternehmen und alle sagen, wie gut sich die Geflüchteten machen“, sagt Helga Rodenbeck. Um zu zeigen, welchen Stellenwert die Neuankömmlinge bei den Firmen in Hamburg haben, hat der Runde Tisch Blankenese eine Infokampagne gestartet.

Aktion durch Spenden finanziert

Finanziert durch Spenden sind Plakate und Flyer entstanden, die von den Erfolgsgeschichten der Geflüchteten berichten. „Das war nur durch die Spenden und viele hilfsbereite Menschen möglich.“ Unterstützung bekam Rodenbeck von einer Marketing-Managerin und einem Fotografen - alles kostenfrei. „Und dank einer großen Werbeagentur sind unsere Fotos dann auch in den U-Bahnen zu sehen gewesen.“

Zu den Menschen, die auf den Plakaten gezeigt werden, gehört auch Benjamin Amini. Der junge Afghane kam 2017 nach Deutschland, ohne Sprachkenntnisse. Heute ist er Schiffsmechaniker auf einem Lotsenschiff der Hamburg Port Authority.

„Das ist mein Arbeitsplatz“, sagt er und zeigt stolz auf die Wellen der Elbe. Der 28-Jährige ist glücklich angekommen zu sein. „Frau Helga Rodenbeck ist ein Engel. Der Runde Tisch Blankenese hat mir so viel geholfen, als ich damals hier ankam. Beim Deutsch lernen, aber auch als Kontakt.“ Einen Ort zu haben, um mit anderen Menschen zu reden und Schach spielen zu können, sei für ihn nach der Ankunft sehr wichtig gewesen, sagt Benjamin. „Ich bin dankbar für die Chance, in Sicherheit leben zu können.“

„Geflüchteten zeigen, dass wir sie anerkennen“

„Erst geflüchtet, jetzt geschätzt“ ist das Motto der Infokampagne. Die Flüchtlingsberatung in der Kirchengemeinde Blankenese möchte damit auch den Neu-Hamburgerinnen und -Hamburgern eine Botschaft schicken. „Wir wollten den Geflüchteten zeigen, dass wir sie anerkennen. Dass sie spüren können, wie sehr sie geschätzt werden“, sagt Helga Rodenbeck. Immerhin: Die Beschäftigungsquote der Geflüchteten, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland kamen, ist gestiegen. Sieben Jahre nach ihrer Ankunft lag sie bei 60 Prozent, acht Jahre nach ihrer Ankunft bei 68 Prozent. Für die Kohorte, die 2015 ankam, lag die Beschäftigungsquote im Jahr 2022 bei 64 Prozent.

Einfach sei es für die Menschen nicht, sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu etablieren, erklärt die Flüchtlingsberaterin, die schon 30 Jahre Erfahrung in ihrem Beruf hat. „Die größte Hürde sind die Behörden“, ist sie sich sicher. Viele Geflüchtete können in Deutschland einen wertvollen Beitrag leisten, wenn man sie denn lässt, davon ist Rodenbeck überzeugt.

Viktoriia Marchenko hat es geschafft. Sie liebt ihren Arbeitsplatz in einem modernen Bürogebäude unweit des Hamburger Fischmarkts. Und nicht nur sie ist glücklich: „Meine Tochter spricht jetzt sehr gut Deutsch und hat viele Freunde. Sie sagt immer 'Mama, ich möchte hier bleiben.“

Hagen Grützmacher