Köln (epd). Das von einer Pflegekraft erlaubte, unbeaufsichtigte Duschen eines suizidgefährdeten Patienten muss noch keinen entschädigungspflichtigen Behandlungsfehler darstellen, wenn sich der Patient dann selbst tötet. Weder ist damit nachgewiesen, dass das ohne Aufsicht durchgeführte Duschen Ursache für den Suizid ist, noch gibt es in den maßgeblichen Leitlinien klare Aussagen, dass bei suizidgefährdeten Patienten wegen des Duschens immer zunächst Rücksprache mit einem Arzt gehalten werden muss, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Köln in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 21. August 2024.
Im konkreten Fall ging es um einen Patienten, der 2019 im Keller seines Hauses in suizidaler Absicht 1,4 Liter Kräuterlikör und rund 50 Tabletten eines Betablockers zu sich genommen hatte. Nachdem er in ein Uniklinikum kam, sagte er, dass er sich tatsächlich nicht habe umbringen wollen. Er wurde mit der Empfehlung entlassen, sich in einer offenen psychiatrischen Station behandeln zu lassen. Im Gespräch mit seiner Ehefrau bestätigte er allerdings seine Suizidgedanken und -pläne. Seine Frau überredete ihn, sich freiwillig erneut auf die Akutstation einer geschlossenen psychiatrischen Klinik zu begeben. Dort willigte der Mann in die ständige Beobachtung durch das Pflegepersonal ein.
Am Morgen des 5. Juni 2019 fragte er einen erfahrenen Pfleger, ob er unbeaufsichtigt duschen dürfe. Er zeigte sich freundlich und absprachefähig und distanzierte sich auf Nachfrage von akuter Suizidalität. Die Pflegekraft gab ihm die Erlaubnis, auch um ein Vertrauensverhältnis zu dem Patienten aufbauen zu können. Doch dann wurde der Mann etwas später tot in der Dusche aufgefunden. Er hatte sich mit dem Duschschlauch stranguliert.
Die Ehefrau und die beiden Söhne des Mannes verlangten daraufhin mindestens 10.000 Euro Schmerzensgeld, die Erstattung der Beerdigungskosten sowie den Ersatz des Unterhaltsschadens in Form einer monatlichen Geldrente. Die Pflegekraft hätte ohne vorherige Rücksprache mit dem Arzt das unbeaufsichtigte Duschen nicht erlauben dürfen. Dies stelle einen entschädigungspflichtigen Behandlungsfehler dar.
Das OLG wies die Klage ab. Zwar stelle die unterlassene Hinzuziehung eines Arztes durch die Pflegekraft einen einfachen Behandlungsfehler dar. Die Kläger hätten aber nicht bewiesen, dass die Erlaubnis zum unbeaufsichtigten Duschen ohne vorherige ärztliche Untersuchung ursächlich für den Suizid gewesen sei. Es sei möglich, dass der Entschluss zum Suizid erst spontan beim Duschen gefasst worden sei. Zudem habe der Sachverständige ausgeführt, dass ein Arzt das unbeaufsichtigte Duschen wohl ebenfalls erlaubt hätte. Es gebe auch keine konkreten Aussagen in den Leitlinien, wie in solch einem Fall vorzugehen sei. Vorhersehbar sei der Suizid nicht gewesen, da der Patient auch Pläne für die Zukunft geschmiedet habe.
Az.: 5 U 127/23