

Berlin (epd). Der größte Teil der Eltern hält die von der Bundesregierung beschlossene Erhöhung von Kindergeld und Kinderzuschlag für nicht ausreichend im Kampf gegen Kinderarmut. Das geht aus einer Umfrage hervor, die die Kinderrechteorganisation Save the Children im August vorgenommen hat. „Die Ergebnisse untermauern die Forderung nach einem umfassenden Konzept zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit mit Blick auf Kinder und Familien in Deutschland“, heißt es in der Mitteilung vom 10. September.
„Fünf Euro mehr pro Monat und immer noch keine Kindergrundsicherung. Die Bundesregierung enttäuscht im Kampf gegen Kinderarmut“, sagt Eric Großhaus, Experte für Kinderarmut und soziale Ungleichheit bei Save the Children. „Unsere Umfrage zeigt: Eltern befürworten mehrheitlich eine breite Palette von Maßnahmen.“ Es brauche keine Kosmetik, sondern ein umfassendes Konzept. In einem Jahr werde ein neuer Bundestag gewählt: „Noch kann die Regierung das Ruder herumreißen und sich als starke Kraft gegen Kinderarmut profilieren.“ Der Bundestag müsse sich auf eine echte Kindergrundsicherung einigen, die wirklich etwas verändert", forderte Großhaus.
An der im August vom Meinungsforschungsinstitut forsa verantworteten repräsentativen Befragung nahmen Eltern von Schulkindern zwischen 6 und 17 Jahren teil. 84 Prozent halten die ab 2025 geplante Erhöhung des Kindergeldes und des Kindersofortzuschlags um jeweils nur fünf Euro nicht für ausreichend, um Kinderarmut zu bekämpfen. Als geeignete Maßnahme zur Unterstützung armutsgefährdeter Kinder werden von 93 Prozent mehr Investitionen in Bildung bewertet. Hohe Zustimmung erhalten auch mehr kostenlose Freizeitangebote und mehr finanzielle Unterstützung. Bessere Informationen und einfachere Möglichkeiten, Sozialleistungen zu beantragen, finden 58 Prozent sinnvoll.
Fast drei Viertel der Eltern in Deutschland (73 Prozent) gehen den Angaben nach davon aus, dass sich die finanzielle Situation für Familien in den nächsten Jahren verschlechtern wird. Im unteren Einkommenssektor wird die Lage besonders pessimistisch gesehen: Diejenigen mit einem Nettohaushaltseinkommen von weniger als 3.000 Euro im Monat gehen zu 79 Prozent von einer Verschlechterung für Familien aus.
„Das Recht auf Freizeit und Teilhabe steht allen Kindern in Deutschland zu“, sagt Nicole Trieloff, Expertin für Kinderarmut und soziale Ungleichheit bei Save the Children. „Die Umfrage zeigt aber, dass 13 Prozent der Eltern nicht genug Geld haben, um ihren Kindern abwechslungsreiche Freizeitangebote zu ermöglichen.“ Das sei alarmierend, denn Hobbys und Freizeitspaß seien ein Schlüssel für Teilhabe, Integration und die kindliche Entwicklung. „In einem reichen Land wie Deutschland darf die Herkunft nicht darüber entscheiden, ob Kinder ihre Potenziale ausschöpfen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.“
Während die Umfrage keine nennenswerten Unterschiede bei der Situation von Familien in Stadt und Land oder West- und Ostdeutschland zeigt, wird eine Benachteiligung von Frauen und alleinstehenden Elternteilen deutlich. So sagen mehr Frauen (17 Prozent) als Männer (10 Prozent), dass sie nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen, um ihren Kindern abwechslungsreiche Hobbys zu ermöglichen. Mit der Zahl der Kinder steigt dieser Prozentsatz.
Save the Children sprach sich für mehrere Maßnahmen aus, die die Kinderarmut senken könnten. Eine davon sei eine einfach zugängliche Kindergrundsicherung für alle Kinder, flankiert von einer eine Neuberechnung des Existenzminimums von Kindern, das soziale Teilhabe ermöglicht. Zudem müsse mehr Geld in die soziale Infrastruktur und Bildung investiert werden. Nötig sei eine „Gesamtanstrengung aller beteiligten Akteurinnen und Akteure.“
Für die Umfrage wurden 1.000 nach einem systematischen Zufallsverfahren ausgewählte Eltern von Schulkindern zwischen sechs und 17 Jahren befragt. Die Erhebung fand im August 2024 telefonisch statt.