sozial-Politik

Bundesregierung

Pflegeassistenz-Ausbildung soll einheitlich werden




Ausbildungscampus für internationale Pflegekräfte in Neu-Isenburg
epd-bild/Heike Lyding
Angesichts des Personalmangels in der Pflege setzt die Bundesregierung auf den verstärkten Einsatz von Pflegehilfen. Die Ausbildung zur Pflegeassistenz ist bisher regional sehr unterschiedlich geregelt. Künftig soll sie einheitlich erfolgen. Das stößt fast überall auf Zustimmung, nicht aber beim Deutschen Pflegerat.

Berlin (epd). Die Ausbildung zur Pflegeassistenz soll künftig bundesweit einheitlich geschehen. Das Bundeskabinett billigte am 4. September in Berlin einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), der den Rahmen der 18-monatigen Ausbildung regelt. Bisher gibt es laut Gesetzentwurf 27 verschiedene Assistenz-Ausbildungen in den Bundesländern, die sich in Ausrichtung, Anspruchsniveau, Ausbildungsdauer und -vergütung deutlich unterscheiden.

Assistenzkräfte sollen künftig vermehrt Aufgaben von Pflegefachkräften übernehmen. Damit soll dem Personalmangel in der Pflege begegnet werden. Die Zahl der Menschen mit Pflegebedarf wird bis 2055 um rund 1,8 auf dann rund 6,8 Millionen steigen, heißt es im Gesetzentwurf. Gebraucht wird daher mehr Personal in der Pflege, was nicht allein durch eine Steigerung der Zahl der Pflegefachpersonen sichergestellt werden könne. Es bedürfe eines „Personalmixes“ aus Fachkräften und Pflegeassistenten.

Lauterbach: Berufseinstieg wird leichter

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte, mit der einheitlichen Ausbildung werde der Einstieg in den Pflegeberuf erleichtert. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bezeichnete die Ausbildung als „strategischen Baustein für die professionelle Pflege“.

Voraussetzung für die Ausbildung zur Pflegeassistenz soll ein Hauptschulabschluss sein. Bei einer positiven Prognose der Pflegeschule können aber auch Personen ohne Schulabschluss die Ausbildung beginnen. Die Ausbildung soll in 18 Monaten in Vollzeit, in Teilzeit in maximal 36 Monaten absolviert werden. Auszubildende mit vorheriger Berufserfahrung können die Ausbildung auf 12 Monate oder weniger verkürzen.

Zudem sollen die Auszubildenden künftig Anspruch auf eine angemessene Vergütung haben. Bislang gilt das laut Bundesregierung nur für etwa die Hälfte der Personen, die sich zur Pflegeassistenz ausbilden lassen. Pflege brauche gute Ausbildung, gute Bezahlung, mehr Verantwortung und gute Arbeitsbedingungen, sagte Lauterbach.

Pflichteinsätze in allen Pflegebereichen

Teil der Ausbildung sind den Angaben zufolge Pflichteinsätze in der stationären und ambulanten Langzeitpflege sowie der stationären Akutpflege. Eine verkürzte Qualifizierung zur Pflegefachkraft soll möglich sein. Pflegeassistenzen sollen ausgewählte Aufgaben von Fachkräften übernehmen, insbesondere im Bereich der medizinischen Behandlungspflege. Damit sollen Pflegefachkräfte entlastet, effizienter eingesetzt und Wegzeiten gespart werden, heißt es im Gesetzentwurf.

Der Deutsche Pflegerat unterstützt zwar die Idee einer bundeseinheitlichen Regelung für die Ausbildung in der Pflegeassistenz. Aber, sagt Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats: „Die Pflegefachassistenz muss ein eigenständiger Beruf sein, der befähigt, in Pflegesituationen kompetent zu handeln. Dazu bedarf es eines Schulabschlusses als Voraussetzung für die Berufsausbildung sowie einer 24-monatigen Ausbildungszeit.“ Nur so könnten die notwendigen theoretischen und praktischen Kompetenzen für eine qualitativ hochwertige Pflegefachassistenz erworben werden, sagte die Expertin. Ähnlich ablehnend äußerte sich auch die Gewerkschaft ver.di.

Andrea Renatus, Geschäftsführerin des Arbeitsgeberverbandes Pflege, ist anderer Ansicht. Sie sagte: „In der Altenpflege brauchen wir keine Maximalqualifikation, sondern eine Grundlagenausbildung. 18 Monate sind ein Kompromiss, aber nicht die beste Lösung. Wir hätten uns mehr Pragmatismus vom Gesetzgeber gewünscht.“

„Die Ausbildung ist jetzt endlich anschlussfähig an die Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann und eröffnet damit Aufstiegsmöglichkeiten. Außerdem bietet die 18-monatige Ausbildung ein eigenständiges und modernes Profil für Assistenzkräfte, das sich an den aktuellen Anforderungen der generalistischen Pflegeausbildung orientiert“, sagte Andreas Wedeking, der Geschäftsführer des Verbandes katholischer Altenhilfe in Deutschland.

Fachverband bpa: Chance vertan

Für den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) sagte Präsident Bernd Meurer: Die Bundesregierung ist den Empfehlungen vieler Trägerverbände und einiger Länder nicht gefolgt und bringt eine Pflege-Assistenzausbildung mit einer Dauer von 18 Monaten auf den Weg. Damit ist die Chance verpasst worden, schnelle Entlastung für Pflegekräfte und pflegende Angehörige zu schaffen. Das ist ernüchternd." Er verwies darauf, dass die längere Ausbildung auch zu höheren Kosten führt, die anteilig von den Pflegeheimbewohnern zu tragen seien.

Klar auf Distanz zu den Plänen ging der bpa in Bayern. Dort gibt es eine einjährige Ausbildung, die nun mit Blick auf die bundesweiten Regelungen enden soll. „Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus will die bewährte einjährige Assistenzausbildung zugunsten einer verlängerten Neugestaltung aufgeben“, rügte Landeschef Kai A. Kasri. Bayern steuere auf einen massiven weiteren Personalmangel zu, wenn geburtenstarke Jahrgänge auch in der Pflege in Rente gehen. „Es ist unverständlich, warum in einer solchen Situation auch nur darüber nachgedacht wird, die einjährige Assistenzausbildung aufzugeben“, bemängelte Kasri.

AOK will Kosten nicht tragen

Dagegen hieß es bei der AOK, die Pläne für einheitliche Ausbildungen seien gut. „Auch die angedachte Ausbildungszeit von 18 Monaten ist angemessen, um den Anforderungen der Pflegeberufe gerecht zu werden und um eine Grundlage für Anschlussqualifikationen zu ermöglichen“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. Die Reform schaffe ein modernes Ausbildungssystem, das die Durchlässigkeit und Qualität der Ausbildung sichere.

Dass die Ampel zur Finanzierung allerdings plane, fast 240 Millionen Euro pro Ausbildungsjahr auf die gesetzlichen Krankenkassen abzuwälzen und 17,7 Millionen Euro auf die Pflegeversicherung, „lehnen wir entschieden ab, allein schon aus ordnungspolitischen Gründen“. Hier seien ausschließlich die Länder in der Pflicht.

Neben rund 1,7 Millionen Pflegekräften arbeiten nach Angaben der Bundesregierung in Deutschland rund 515.000 Menschen als Pflegehilfskräfte, von denen etwa 343.000 eine Ausbildung zum Pflegehelfer, zur Pflegeassistenz oder in einem anderen Beruf haben. Die Vereinheitlichung der Ausbildung und damit des Berufsbildes soll auch dazu beitragen, dass die Anerkennung ausländischer Pflegekräfte einfacher wird.

Dirk Baas, Corinna Buschow