Nürnberg (epd). Die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt hat gravierende Folgen für die sozial Schwächsten, die Menschen ohne eigene Wohnung. Steigende Mieten, die rückläufige Zahl an Sozialwohnungen oder der Zuzug der Flüchtlinge aus der Ukraine bewirkten, dass sie auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance hätten, sagte der Diakon Thomas Heinze im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er leitet die Hilfen für Menschen in Wohnungsnot bei der Stadtmission Nürnberg.
Heinze weiß aus seinem beruflichen Alltag, dass ehemals wohnungslosen Menschen „der Rückweg in die Gesellschaft versperrt ist“. Die Stadtmission betreut etwa 40 Männer und Frauen sozialpädagogisch in kleinen Wohnungen, die von dem Sozialverband für sie angemietet wurden. „In einer dieser Wohnungen lebt eine Frau bereits seit fünf Jahren, die auf dem freien Wohnungsmarkt nicht zum Zug kommt.“ Andere Menschen, die weg von der Straße wollen, stünden währenddessen bei der Stadtmission vor der Tür.
Wer in einer Obdachlosenunterkunft oder betreut gewohnt habe, habe im Kreise der oft 50 bis 80 Bewerberf ür eine kleine Wohnung auf dem freien Markt in Nürnberg keine Chance, beschreibt Heinze die Situation. „Der Vermieter nimmt natürlich lieber den Studenten mit dem gut verdienenden Papa, der die Bürgschaft für die Miete übernimmt.“ Heinze will ein solches Verhalten der Vermieter nicht verurteilen: „In einem System, in dem die Mieter extrem geschützt sind, kann man verstehen, dass die Wohnungsbesitzer vorsichtig sind.“ Auf dem Land würden viele Wohnungen sogar leer stehen, weil sich Vermieter nicht über unbezahlte Mieten oder Nebenkosten ärgern wollten.
Lösungsansätze für die längerfristige Unterbringung von Menschen, die aus der Obdachlosigkeit hinauswollen, sieht Heinze in Konzepten wie Housing First oder Tiny-Haus-Siedlungen. „Aber man darf keine Ghettos schaffen“, warnt er und betont: Alle Menschen bräuchten einen Rückzugsraum. In den Obdachlosenunterkünften wie in Nürnberg mit ihren Mehrbettzimmern sei der meistens nicht gegeben. Und auch für Menschen ohne Meldeadresse, die bei Freunden oder Verwandten unterkommen, sei die Situation oft nicht einfach. „Da kannst du nicht den Fernseher anmachen, wann du willst, oder dir etwas kochen, egal, wie es riecht.“
In der Beratung stellen die Beschäftigten immer wieder fest, dass viele Betroffene sich nicht im hiesigen Hilfesystem auskennen. „Viele wissen gar nicht, dass sie ihr Gehalt mit Bürgergeld aufstocken können, wenn es nicht zum Leben reicht.“ Auch hätten viele Klientinnen und Klienten Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche, weil sie sich bei Wohnbaugesellschaften oder auf dem freien Markt Online-Konten anlegen müssten. „Die wenigsten dieser Leute wissen, wie das geht oder haben einen Laptop oder PC.“
Zwar treffe Wohnungslosigkeit besonders Personen, die einen niedrigen Bildungsabschluss hätten, stellt der Experte fest. Aber vieles im Leben sei sehr fragil: Wer ein- oder zweimal im Leben falsch entscheide, einen Unfall habe oder eine Trennung erlebe, könne Probleme bekommen.