Heilbronn (epd). Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer können unter Umständen von ihrer Krankenkasse die Versorgung mit einem Zweitrollstuhl beanspruchen. Voraussetzung für den Anspruch auf Mehrfachausstattung mit einem Hilfsmittel ist, dass dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist, „um ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben“ führen zu können, entschied das Sozialgericht Heilbronn in einem am 19. August veröffentlichten Urteil.
Die heute 52-jährige Klägerin mit Pflegegrad 3 ist nach einem Schlaganfall auf der linken Körperseite vollständig gelähmt. Es besteht auf dieser Seite eine vollkommene Gebrauchsunfähigkeit. Ihre Krankenkasse versorgte sie mit einem manuellen Aktivrollstuhl, der mit einem elektrischen Zusatzantrieb nachgerüstet wurde.
Die Versicherte beantragte bei ihrer Krankenkasse einen zusätzlichen Aktivrollstuhl. Diesen wolle sie allein in ihrer Wohnung nutzen. Der Rollstuhl mit dem Elektroantrieb solle ihr dagegen die selbstständige Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglichen. Nur damit sei sie in der Lage, Strecken mit Steigungen und Gefälle außerhalb der Wohnung zu bewältigen. In der Wohnung komme sie mit dem Elektroantrieb nicht zurecht. Denn aufgrund ihrer halbseitigen Lähmung könne sie nicht gleichzeitig eine Tür öffnen und den Rollstuhl bedienen. So sei es ihr etwa nicht möglich, selbstständig auf die Toilette zu gehen. Behinderungsbedingt könne sie auch nicht am Rollstuhl zwischen elektrischem und mechanischem Antrieb wechseln.
Die Krankenkasse lehnte die Versorgung mit einem zusätzlichen Aktivrollstuhl für die Wohnung ab. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Frau mit dem motorunterstützten Rollstuhl in ihrer Wohnung nicht zurechtkomme. Das Sozialgericht sprach der Klägerin aber den zusätzlichen Rollstuhl zu. Dieser diene dem mittelbaren Behinderungsausgleich und ermögliche ihr das allgemeine Grundbedürfnis des „selbstständigen Wohnens sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums“. Die Frau könne den vorhandenen Aktivrollstuhl auch nicht selbstständig „für den Hausgebrauch“ umrüsten.
Az.: S 10 KR 2154/22