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Stiftung: Kita-Beschäftigte häufiger krank als andere Berufsgruppen




Gummistiefel in einer Kita in Frankfurt a.M.
epd-bild/Heike Lyding
Der Krankenstand von Kita-Mitarbeitenden ist in den vergangenen Jahren laut Bertelsmann Stiftung um mehr als 25 Prozent gestiegen. Bildungsgewerkschaften fordern bundesweite Regelungen für eine stärkere Entlastung der pädagogischen Fachkräfte.

Gütersloh (epd). Atemwegserkrankungen und psychische Belastungen: Kita-Mitarbeitende sind nach einer Analyse der Bertelsmann Stiftung häufiger krank als Mitarbeitende in anderen Berufsgruppen. Beschäftigte in der Kinderbetreuung seien im Jahr 2023 im Durchschnitt knapp 30 Tage arbeitsunfähig gewesen, erklärte die Bertelsmann Stiftung am 20. August in Gütersloh. Der Durchschnitt aller Berufsgruppen liege bei 20 Tagen. Bildungsgewerkschaften fordern daher bessere Arbeitsbedingungen und stärkere Entlastungen für die pädagogischen Fachkräfte.

Am häufigsten seien Kita-Beschäftigte wegen Atemwegsinfektionen krankheitsbedingt ausgefallen, erklärte die Stiftung. Zweithäufigster Grund seien psychische Erkrankungen. Zwischen 2021 und 2023 seien die Arbeitsunfähigkeitstage des Kita-Personals um rund 26 Prozent gestiegen. Grundlage für die Analyse sind Krankenkassendaten. Hierzu hatte die Bertelsmann Stiftung Zahlen der DAK und der Techniker Krankenkasse ausgewertet.

Steigende Krankenzahl führt in Teufelskreis

„Viele Kitas stecken in einem Teufelskreis: Aufgrund der steigenden Krankenstände fallen immer mehr Fachkräfte aus, wodurch die Überlastung für die verbleibenden Beschäftigten weiter zunimmt. An gute frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung ist vielerorts gar nicht mehr zu denken“, erklärt Anette Stein, Expertin für frühkindliche Bildung bei der Stiftung.

Zusammen mit Urlaubszeiten und Fortbildungen lagen die Ausfallzeiten in den Kitas den Berechnungen zufolge im Jahr 2023 im bundesweiten Durchschnitt insgesamt bei knapp 18 Prozent der jährlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft. In Ostdeutschland hätten die Ausfallzeiten rund 23 Prozent des regulären Arbeitspensums ausgemacht, im Westen seien es rund 17 Prozent gewesen.

Forderungen nach bundesweiten Standards

Im Rahmen der Verhandlungen über die Fortsetzung des Kita-Qualitätsgesetzes sollten sich Bund und Länder auf einen gemeinsamen Standard einigen, der Vertretungen für Ausfallzeiten garantiere, forderte die Stiftung. Bislang gebe es lediglich in wenigen Bundesländern konkrete Regelungen für eine verlässliche Vertretung.

Die Fachkräfte in den Kitas seien stark überlastet, erklärte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Frankfurt am Main. Durch die hohen Krankheitsausfälle gerate das Personal unter außerordentlichem Druck. „Das gefährdet die Qualität der frühkindlichen Bildung stark“, beklagte Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit.

Zugleich warnte Siebernik davor, die Standards für pädagogische Qualifikationen zu senken, um die Personalnot zu kompensieren. In einigen westlichen Bundesländern gäbe es besorgniserregende Tendenzen, nicht ausreichend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Vertretungspersonal einzusetzen: „Diese Entwicklung ist brandgefährlich.“ „Wenn unqualifiziertes Personal eingesetzt wird, erfordert das die zusätzliche Anleitung und Unterstützung durch Fachkräfte. Das erhöht deren Arbeitslast weiter und beeinflusst die Qualität der Betreuung negativ.“

Ungelernte Kräfte sollen nachqualifiziert werden

Es sei daher entscheidend, die in der Fachkräftestrategie angestrebten Maßnahmen umzusetzen und dafür eine nachhaltige und gute Finanzierung sicherzustellen. „Die Menschen, die ungelernt in die Einrichtungen kommen, laufen Gefahr, in dem System verbrannt zu werden. Es muss sichergestellt sein, dass Träger und Kommunen dieses Personal nachqualifizieren und dabei von Bund und Ländern unterstützt werden.“

Viele Kita-Leitungen seien schon erleichtert, wenn der Betrieb überhaupt ohne größere Ausfälle aufrechterhalten werden könne, sagte der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) in Nordrhein-Westfalen, Stefan Behlau. Diese Situation führe zu Frustration und Demotivation. Die Politik sei gefordert, um mehr Fachkräfte für diesen wichtigen Bereich zu begeistern, indem sie die Arbeitsbedingungen grundlegend verbessere.

Nach den aktuellen Ausfallzeiten müssten laut Bertelsmann Stiftung bundesweit zusätzlich knapp 97.000 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte für Vertretungen eingestellt werden. Dies würde zusätzliche Personalkosten von rund 5,8 Milliarden Euro pro Jahr verursachen. Dadurch ließe sich die Personalsituation in den Kitas zumindest kurzfristig stabilisieren.

Holger Spierig