Berlin (epd). Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat eine Untersuchung zu den Folgen einer Abschaffung der Mütterrente vorgelegt. Darin kommen die Autorinnen und Autoren zu dem Ergebnis, dass das Aus der Mütterrente die Altersarmut und den Gender Pension Gap erhöhen würde. „Die Mütterrente rückgängig zu machen ist nicht nur rechtlich fragwürdig, es hätte auch finanziell erhebliche negative Folgen“, sagte Studienautorin Annica Gehlen aus der Abteilung Staat des DIW Berlin.
Untersucht wurden die Verteilungseffekte bei einem Wegfall der Mütterrente, die wegen klammer Kassen wieder in die Diskussion gekommen ist. Demnach würden Einkommen der einkommensschwächsten Rentnerinnen um durchschnittlich acht Prozent sinken. Das Armutsrisiko würde um 14,4 Prozent und Gender Pension Gap um mehr als 20 Prozent steigen. Statt die Mütterrente rückgängig zu machen, sollten Maßnahmen für höhere Frauenerwerbstätigkeit ergriffen werden, heißt es in der Bewertung der Ergebnisse.
Fiele die vor zehn Jahren eingeführte Mütterrente wieder weg, könnte die Bundesregierung jährlich zwar rund 14 Milliarden Euro sparen. Fast neun Millionen Rentnerinnen, die vor 1992 Kinder geboren haben, würden aber durchschnittlich 107 Euro im Monat fehlen. Insbesondere träfe es Frauen aus den unteren Einkommensgruppen, Frauen mit mehr als drei Kindern und geschiedene Frauen. Die ärmsten 20 Prozent würden über gut acht Prozent weniger Einkommen verfügen. Bei den reichsten 20 Prozent wären es hingegen nur gut ein Prozent weniger Einkommen. Rentnerinnen mit mehr als vier Kindern hätten im Schnitt sogar Einkommenseinbußen von rund 15 Prozent, fiele die Mütterrente weg. Besonders betroffen wären auch geschiedene und ledige Mütter, weil ein Wegfall der Mütterrente in der Regel nicht durch die Einkünfte eines Partners abgepuffert wird.
„Die Mütterrente mildert einige Ungleichheiten ab, die vor allem aufgrund von Kindererziehung während der Erwerbsphase entstanden sind. Vor allem in Westdeutschland haben die heutigen Rentnerinnen mit der Geburt ihrer Kinder häufig ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen und später weniger am Erwerbsleben teilgenommen als nachfolgende Generationen“, sagte Gehlen. Entsprechend hoch ist auch der geschlechtsspezifische Unterschied bei den Renten (Gender Pension Gap). Mit Abschaffung der Mütterrente würde er von derzeit 32 Prozent auf 39 Prozent erheblich steigen, also um gut 20 Prozent.
„Sicherlich ließe sich kurzfristig mit der Abschaffung der Mütterrente Geld sparen. Langfristig sinnvoller wäre es, Ungleichheit und Altersarmutsrisiken schon während der Erwerbsphase anzugehen“, regt Johannes Geyer, stellvertretender Leiter der Abteilung Staat, an. Dazu müssten gezielt Maßnahmen für eine höhere Frauenerwerbstätigkeit und eine Stärkung der partnerschaftlichen Aufteilung der Sorgearbeit ergriffen werden. Konkret hieße das, die Kinderbetreuung und Pflegeinfrastruktur auszubauen sowie die Anreize im Steuersystem durch eine Reform des Ehegattensplittings und der Minijobs zu verbessern.
VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte, um alle Mütter weiter zu stärken, müsse die volle Gleichstellung angegangen werden: Auch Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, müsse zukünftig 120 Euro statt nur 100 Euro mehr Mütterrente im Monat gezahlt werden. Das sei eine zwar späte, aber notwendige Anerkennung von unbezahlter Sorgearbeit. „Eine Debatte um die Abschaffung der Mütterrente muss dringend im Keim erstickt werden. Stattdessen sollten wir uns für die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen und für eine Reform des Ehegattensplittings einsetzen“, so die Präsidentin.
Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates, ist dagegen für das Aus der Mütterrente. Sie koste jedes Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag und habe keine Lenkungsfunktion. Ihre Einführung sei „ein reines Wahlgeschenk“ gewesen.