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Berlin (epd). Der GKV-Spitzenverband hat sein jüngst vorgestelltes Gutachten veröffentlicht, wonach der Bund seinen Ausgleichsverpflichtungen bei den Gesundheitskosten von Bürgergeldbeziehenden gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung nicht annähernd nachkommt. Der Analyse des IGES Instituts zufolge decken die von der Bundesregierung gezahlten Beiträge nur gut ein Drittel der tatsächlichen Ausgaben für diesen Personenkreis, teilte der Dachverband der Kassen in Berlin mit.
Er kritisiert das, denn es sei verpflichtende Aufgabe des Staates, das Existenzminimum von bedürftigen Bürgerinnen und Bürgern zu gewährleisten. „Nach der Rechtsprechung zählt dazu auch die Absicherung der medizinischen Versorgung im Krankheitsfall. Bei den Sozialhilfebeziehenden kommen die Sozialhilfeträger, in der Regel die Kommunen, vollständig für die Kosten der gesundheitlichen Versorgung auf“, hieß es. Bei der gesundheitlichen Versorgung von Bürgergeldempfängern komme der Bund seinen Zahlungspflichten indes nur unzureichend nach.
Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Bürgergeldbeziehende lagen dem Gutachten zufolge 9,2 Milliarden Euro höher als die für diese Gruppe gezahlten Beiträge. Für die Erhebung hat das IGES Institut die Deckungsquote von Einnahmen und Ausgaben der GKV für hilfebedürftige erwerbsfähige Personen im Jahr 2022 untersucht.
Das Gutachten ermittelt, wie umfassend Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG) II durch Steuermittel gedeckt sind. Es aktualisiert ein Gutachten aus dem Jahr 2017 und entstand im Auftrag des GKV-Spitzenverbands. Basis sind Auswertungen von Daten der Bundesagentur für Arbeit, des Bundesgesundheitsministeriums sowie der gesetzlichen Krankenkassen.
Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer verwies darauf, dass die Finanzierung durch Beiträge des Bundes schrittweise zurückgefahren wurde. Und sie zitierte den Koalitionsvertrag der Ampel, in dem zu lesen stehe: „Wir finanzieren höhere Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln.“
„Durch diese systematische Unterfinanzierung gehen der gesetzlichen Krankenversicherung jedes Jahr Milliardenbeträge verloren“, beklagte Pfeiffer: „Allein im Jahr 2022 haben die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen den Bundeshaushalt so mit 9,2 Milliarden Euro entlastet. Und diese jährliche Unterfinanzierung der gesundheitlichen Versorgung von Bürgergeldbeziehenden dürfte in den Jahren 2023 und 2024 aufgrund der steigenden Zahl der Leistungsbeziehenden sogar noch höher liegen.“ Sie rechnete vor: „9,2 Milliarden Euro entsprechen 2024 rund 0,5 Beitragssatzpunkten.“
Insgesamt seien im Jahr 2022 lediglich 39 Prozent der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Bezieherinnen und Bezieher von ALG II, inzwischen Bürgergeld, durch die für diesen Personenkreis gezahlten Beiträge gedeckt gewesen, betont Richard Ochmann, Projektleiter Gesundheitspolitik am IGES Institut: „Eine kostendeckende Pauschale hätte fast dreimal höher ausfallen müssen - statt der im Jahr 2022 tatsächlich vom Bund gezahlten Monatspauschale von 108,48 Euro hätte diese dann 311,45 Euro betragen.“
Zum Vergleich: Für privat krankenversicherte Bürgergeldbeziehende zahlt der Staat aus Steuermitteln einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von bis zu 421,77 Euro im Monat. Pfeiffer plädierte dafür, dass der Bund kostendeckende Monatspauschalen für Bürgergeldbeziehende vom Bund übernimmt.
Die Autoren der Analyse verweisen auch auf die sozialpolitischen Verteilungswirkungen bei der Finanzierung der Gesundheitskosten Bedürftiger: „Es gibt einen zentralen Unterschied, ob die Krankenkassen etwas finanzieren oder der Staat das aus Steuergeldern tut.“ Wenn die gesetzlichen Kassen etwas bezahlten, dann werde dies aus den Beiträgen der 58 Millionen Mitglieder (die 16 Millionen Familienmitglieder sind beitragsfrei mitversichert) und von deren Arbeitgebern finanziert. Dabei zahlten Gutverdienende nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze von 5.175 Euro. Wer 10.000 oder 15.000 Euro im Monat verdiene, zahle also nicht mehr als jemand, der 6.000 Euro verdiene. Beamtinnen und Beamte sowie Selbstständige, die in der Regel privat versichert sind, seien völlig außen vor.
Im anderen Fall finanzieren alle hier lebenden 84 Millionen Menschen die Gesundheitskosten mit - über alle Steuereinnahmen. „Damit sind dann alle Bürgerinnen und Bürger an der Finanzierung beteiligt. Auch gibt es bei der Einkommenssteuer keine Obergrenze. Alle Einkünfte werden herangezogen“, so die Autoren der Studie.