sozial-Recht

Landessozialgericht

Psychische Erkrankung kann Umzug aus teurer Wohnung entgegenstehen



Halle (epd). Von psychisch kranken Bürgergeld- und Sozialhilfebeziehern kann unter Umständen kein Umzug in eine günstigere, angemessene Unterkunft verlangt werden. Droht mit dem Umzug nach außerhalb der örtlichen Lebensverhältnisse eine Verschlimmerung der Erkrankung und ist im Ort kein angemessener Wohnraum anmietbar, besteht Anspruch auf Übernahme der unangemessen hohen Unterkunftskosten, entschied das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt in Halle in einem am 26. Juni veröffentlichten Urteil.

Im konkreten Fall bezog die Klägerin seit 2010 die früheren Hartz-IV-Leistungen, das heutige Bürgergeld. Ab März 2013 übernahm das Jobcenter nur noch einen Teil der Unterkunftskosten, da die 59 Quadratmeter große Wohnung nicht angemessen und zu teuer sei.

Die Frau klagte und verwies darauf, dass sie an schweren Depressionen erkrankt sei und bereits mehrfach stationär in der Psychiatrie behandelt werden musste. Sie sei auf die Hilfe ihrer Eltern und ihrer Schwester angewiesen, die im selben Ort wohnten. Sie müsse wegen Selbstgefährdung unter Beobachtung stehen. Ein Umzug außerhalb des 320 Einwohner großen Ortes sei ihr gesundheitlich nicht zuzumuten.

Im Einzelfall ist Anspruch gerechtfertigt

Zwischenzeitlich hatte sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt. Erst infolge eines weiteren Klageverfahrens sprach der Rentenversicherungsträger im Jahr 2019 ihr dauerhaft eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu - und zwar rückwirkend ab November 2014.

Das LSG urteilte, dass die Klägerin einen Anspruch auf Übernahme der vollen Unterkunftskosten habe. Aufgrund der psychischen Erkrankung sei „ein Verbleib der Klägerin in der Wohnung oder im Wohnumfeld dringend erforderlich“. In einem solchen Einzelfall könne der Anspruch auf Übernahme auch unangemessener Unterkunftskosten gerechtfertigt sein. Allerdings müsse hierfür nicht das Jobcenter, sondern der Sozialhilfeträger aufkommen, da die Klägerin rückwirkend als voll erwerbsgemindert eingestuft worden sei.

Die Behauptung des Sozialhilfeträgers, die Frau hätte auch an ihrem Ort eine angemessene Wohnung finden können, sei nicht belegt. Der Sozialhilfeträger sei ab dem Zeitpunkt der Feststellung der vollen Erwerbsminderung für die Übernahme der vollen Unterkunftskosten zuständig. Die seitdem vom Jobcenter gezahlten Unterkunftskosten könne sich das Jobcenter vom Sozialhilfeträger in einem eigenen Verfahren wieder zurückholen.

Az.: L 5 AS 249/23