Berlin (epd). Der angekündigte Stopp des Asyl-Abkommens zwischen Großbritannien und Ruanda ist in Deutschland auf unterschiedliches Echo gestoßen. Man habe zur Kenntnis genommen, dass die britische Regierung dies nicht weiterverfolgen wolle, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums und hob Zweifel des eigenen Hauses an solchen Modellen hervor. Die Union pocht dagegen weiter auf der Verlagerung von Asylverfahren in Drittstaaten und sieht in der Absage aus London eine Chance für Deutschland.
Die ruandische Regierung halte an der Zusammenarbeit mit Europäern fest, und in Ruanda stünden „jetzt umso mehr Kapazitäten für uns bereit“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm (CDU), dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir sollten an dem Projekt festhalten und die Vorarbeit unserer britischen Partner nutzen“, ergänzte er.
Der neu gewählte britische Premierminister Keir Starmer hatte nach seinem Amtsantritt angekündigt, die angestrebte Zusammenarbeit mit Ruanda im Bereich der Asylpolitik nicht weiterzuverfolgen. Großbritannien wollte Asylbewerber in das afrikanische Land bringen und deren Asylanträge dort prüfen lassen.
Throm sagte, die neue britische Regierung habe sich aus innenpolitischen Gründen gegen das Ruanda-Projekt entschieden: „Als Kontinentaleuropäer sind wir aber viel stärker von der illegalen Migration betroffen. Deutschland und die EU brauchen daher die Möglichkeit, Asylverfahren auch außerhalb Europas durchzuführen.“ Die CDU hatte in ihrem Parteiprogramm die Einführung solcher Drittstaatenregelungen ausdrücklich festgeschrieben.
Seitdem wird in der Politik intensiv darüber diskutiert. Auf Drängen der unionsgeführten Länder hatte das Bundesinnenministerium in einer Expertenanhörung rechtliche und praktische Aspekte prüfen lassen. Im Ergebnis waren die allermeisten Sachverständigen skeptisch. Es gehe beispielsweise um die enormen Kosten für eine solche Verlagerung von Asylverfahren, die um ein Vielfaches das überstiegen, was die Unterbringung von Flüchtlingen im eigenen Land koste, sagte ein Ministeriumssprecher.
Er erläuterte zudem, warum insbesondere eine Kooperation mit Ruanda aus rechtlichen Gründen für Deutschland schwierig sei. Den Rahmen gebe das europäische Recht vor, sagte er. Darin enthalten ist das sogenannte Verbindungskriterium, das verbietet, Flüchtlinge in ein Land zu schicken, zu dem sie gar keinen Bezug haben. Das Augenmerk liege daher auf den Migrationsrouten, also Staaten, durch die sich Flüchtlinge bewegen, erläuterte der Sprecher. Bei solch einem Transitstaaten-Modell gaben wiederum die vom Ministerium angehörten Experten zu bedenken, dass der Abschreckungseffekt, den man sich erhofft, nicht sonderlich groß sein dürfte.
Beim Gespräch über die Ergebnisse der Sachverständigenanhörung bei der Ministerpräsidentenkonferenz Mitte Juni hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Ländern dennoch zugesagt, weiter mögliche Modelle zu prüfen. Diese Prüfung werde weiterverfolgt, sagte der Innenministeriumssprecher.